Verbogene Büroklammer
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Diskriminierung am Arbeitsplatz
Wo finde ich Unterstützung bei Mobbing?

Mobbing kann schnell zu einer anhaltenden psychischen wie physischen Belastung werden. Beraterinnen wie Edeltraud Schmandt wollen das vermeiden.

Von Katrin Schmermund 02.06.2020

Forschung & Lehre: Frau Schmandt, immer mehr Hochschulen entwickeln Leitlinien gegen Diskriminierung und Mobbing. Haben Beraterinnen und Berater wie Sie seitdem weniger zu tun?

Edeltraud Schmandt: Ich beobachte in den vergangenen Jahren einen Kulturwandel: bei Neueinstellungen werden Professorinnen und Professoren zum Teil aufgefordert, solche Richtlinien zu unterzeichnen und gerade Jüngere fragen explizit danach. Auch wird inzwischen viel offener über Verstöße gegen ein respektvolles Miteinander gesprochen und es werden mehr Beratungen und Mediationen wahrgenommen von Betroffenen und Beschuldigten, von Führungskräften oder auch Beschäftigten aus der Personalabteilung. Konflikte und Diskriminierung gibt es aber leider trotzdem noch. Darum haben Ansprechpersonen wie ich nach wie vor viel zu tun.

F&L: Angenommen, ich komme zu Ihnen und sage "Ich werde gemobbt". Was fragen Sie mich?

Edeltraud Schmandt: Wenn eine Person zu mir in die Beratung kommt, versuche ich zunächst, eine wertschätzende und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und einer Person zu signalisieren, dass ich empathisch darauf eingehen werde, was sie mir zu erzählen hat. Ich frage, warum sie sich gemobbt fühlt, und verschaffe mir einen Eindruck davon, wie häufig und mit welcher Intensität sie diese Erfahrung macht. Auch interessiert mich zum Beispiel, wie jemand die Zusammenarbeit im Team sowie das Rollenverständnis und Führungsverhalten der Vorgesetzten erlebt.

Edeltraud Schmandt ist als psychologische Beraterin und Mediatorin seit vielen Jahren an der Universität zu Köln und freiberuflich im Hochschulbereich tätig. Dabei ist sie auch an der Entwicklung von Anti-Diskriminierungsrichtlinien beteiligt. privat

F&L: Warum ist all das für Ihre Beratung entscheidend?

Edeltraud Schmandt: Ich gehe in der systemischen Beratung immer davon aus, dass sich Konflikte im jeweiligen Kontext aus der Wechselwirkung zwischen Personen ergeben, von denen jede ihre eigene Perspektive auf die Wirklichkeit hat. Jedes Team-Mitglied handelt aufgrund eigener Erfahrungen, Werte und Gefühle. Darum ist für mich und andere Beraterinnen und Berater der inflationär gebrauchte Begriff "Mobbing" problematisch. Er suggeriert unmittelbar eine lineare Rollenverteilung in "Opfer" und "Täter". Betroffene verbleiben dadurch zu lange in einem anstrengenden innerpsychischen "Notprogramm". Das bedeutet, dass sie reflexartig auf eine Bedrohung mit Kampf, Flucht oder Schockstarre reagieren. Mir ist jedoch wichtig, dass Betroffene in eine aktive Rolle zurückfinden. Es sollte im Beratungsprozess daher vielmehr darum gehen, die komplexen Wirkungszusammenhänge in einem Arbeitsverhältnis zu beleuchten und die Betroffenen dafür zu sensibilisieren, welche eigenen Anteile sie möglicherweise an Konflikten haben und wie sie zur Konfliktlösung und damit auch ihrem Wohlbefinden beitragen können.

F&L: Wie gehen Sie das an?

Edeltraud Schmandt: Ich versuche mit den Betroffenen unter anderem an ihrem Kommunikationsverhalten zu arbeiten, damit sie ihre Gefühle, Grundbedürfnisse und Wünsche besser erkennen und ausdrücken können, ohne eine andere Person anzugreifen oder zu verletzen. Hier sind die Grundsätze der gewaltfreien Kommunikation hilfreich. Ich versuche immer nach Lösungen zu suchen, von denen das gesamte Team oder die Konfliktparteien profitieren. Das macht ein Entgegenkommen des Gegenübers wahrscheinlicher. Sind die Fronten in einem Konflikt noch nicht zu verhärtet, schlage ich häufig auch eine Mediation vor. Dabei können Konfliktparteien gemeinsam Lösungsschritte erarbeiten, von denen beide profitieren, und diese in einer Vereinbarung festhalten. In der Regel bringt das mehr als verordnete Lösungen, die etwa aus einem Beschwerdeverfahren hervorgehen würden.

"In vielen Situationen resultieren Konflikte am Arbeitsplatz aus unklaren Rollenverteilungen."

F&L: So leicht sind jedoch nicht alle Konflikte zu lösen. Was sagen Sie denjenigen, die Ziel bewusster Mobbing-Aktionen bleiben und psychisch wie physisch leiden?

Edeltraud Schmandt: Bevor ich mögliche Handlungsoptionen beleuchte, frage ich nach bisherigen Lösungsversuchen. Ist ein Konflikt so verhärtet, dass es nicht mehr um die Sache geht und kein 1:1-Gespräch mehr möglich ist, sind Unterstützer eine Chance, gestärkt in ein Gespräch mit einer Konfliktpartei zu gehen oder Ansatzpunkte zu erkennen, um aus einer konfliktreichen Situation herauszukommen. Auch kann ich eine Person – gegebenenfalls ergänzend zu einer ärztlichen Begleitung – unterstützen, Konflikte weniger an sich heranzulassen, durch Maßnahmen zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls, zur Entlastung und Entspannung. Das kann vor allem dann eine Option sein, wenn in absehbarer Zeit ein Wechsel des Arbeitsplatzes ansteht oder ein Beschwerdeverfahren entschieden ist. Denn es bleibt das Risiko, dass eine Person mit zunehmender Zeit doch stärker leidet, sich ihre Leistung verschlechtert und ihr Sozialverhalten verändert. Löst sich ein Konflikt trotz Gesprächen nicht, kann ich entweder zu einem offiziellen Beschwerdeverfahren mit Überprüfung der rechtlichen Relevanz und Maßnahmen oder ansonsten nur zu einem Wechsel des Arbeitsplatzes raten. Dann würde ich mit der Person darüber sprechen, wie der Einstieg dort möglichst gut gelingen kann.

F&L: Was kennzeichnet Teams, in de­nen es häufig zu Konflikten kommt?

Edeltraud Schmandt: In vielen Situationen resultieren Konflikte am Arbeitsplatz aus unklaren Rollenverteilungen. Wer ist Ansprechperson für was? Wer hat gegenüber wem Weisungsbefugnis? Welche Arbeitszeiten werden erwartet? Sind diese Fragen nicht geklärt, kommen schnell Missverständnisse auf und Personen sehen sich in ihren Bedürfnissen verletzt. Das kann bei dem wissenschaftlichen Mitarbeiter eine fehlende Orientierung und Sicherheit durch den Vorgesetzten sein oder bei dem Professor mangelnder Respekt und Autonomie vonseiten der Mitarbeitenden. Bleibt ein klärendes Gespräch aus, kann sich der Konflikt schnell verschärfen, bis er schließlich eskaliert und zu einem Bruch oder eben Mobbing führt. Das zeigt sich dann zum Beispiel in anhaltenden, gezielten und oft subtilen Sticheleien gegen eine Person, die häufig nur schwer beweisbar sind.

"Überlegenheit kann sich auch daraus ergeben, dass eine Person ein stärkeres Netzwerk hat als eine andere oder rhetorisch stärker ist."

F&L: Von welchen Mobbingvorwürfen hören Sie häufig?

Edeltraud Schmandt: Oft sind es wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die sich von Vorgesetzten schlecht behandelt, benachteiligt oder ausgegrenzt fühlen. Durch ihre hierarchisch höhere Positionierung können diese leichter Druck ausüben. Beschäftigte berichten zum Beispiel davon, dass bevorzugt andere Forschende für die Zusammenarbeit an Veröffentlichungen oder die Präsentationen für Tagungen gefragt werden oder eine Aufgabe nachträglich übernehmen sollen. In Gesprächen mit mir stellt sich dann heraus, dass eine Person über eine längere Zeit sehr flexibel gearbeitet hat, was durch die recht freie Arbeitsgestaltung und die intrinsische Motivation in der Wissenschaft begünstigt wird. Ändern Beschäftigte ihr Verhalten, zum Beispiel weil sie aufgrund einer veränderten Lebenssituation weniger Freiräume haben, berichten sie von einem fehlenden Verständnis ihrer Vorgesetzten. Es kommt zu Spannungen. Die Überlegenheit einer Konfliktpartei kann sich aber auch daraus ergeben, dass eine Person ein stärkeres Netzwerk hat als eine andere oder rhetorisch stärker ist, während das Selbstwertgefühl der Person, die sich gemobbt fühlt, zunehmend schwindet. Dabei resultieren Konflikte unter Kolleginnen und Kollegen immer wieder aus einem starken beruflichen Druck und dem Gefühl, sich gegenüber anderen durchsetzen zu müssen. Personen werden zum Beispiel wichtige Informationen über Arbeitsabläufe oder Fristen vorenthalten, wodurch sie einen schlechten Eindruck bei Vorgesetzten hinterlassen

F&L: Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die erwähnten Richtlinien tatsächlich greifen und es im besten Fall nicht mehr zu solchen Diskriminierungen kommt?

Edeltraud Schmandt: Richtlinien halte ich für einen zentralen Ansatzpunkt. Hinter denen müssen Hochschulleitungen und andere Verantwortliche dann aber auch stehen und in verschiedenen Kontexten darüber sprechen. Sie könnten zum Beispiel zusammen mit der Personalentwicklung Führungsleitlinien verbindlich implementieren und mehr Schulungen zur Kommunikation im Team und zur Sensibilisierung für Diskriminierung und Mobbing schaffen. Anreize können helfen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Führungsverantwortung zu einer Teilnahme zu animieren, damit sie Konflikte und Diskriminierung früh wahrnehmen und intervenieren. Häufig wird erst um Hilfe gebeten, wenn Konflikte eskaliert sind. Dann sind die Fronten schon so verhärtet, dass es schwer ist, einen Neuanfang im Team zu finden. Wenn Betroffene, Führungskräfte oder auch "Beobachter" dagegen zu einem frühen Zeitpunkt in der Entstehung eines Konflikts zu mir oder anderen Ansprechpersonen kommen, können Arbeitsstrukturen und ein Führungsverhalten, das tendenziell Konflikte verstärkt, im Sinne eines besseren Gesundheitsmanagements verändert werden.