F&L: Was kennzeichnet Teams, in denen es häufig zu Konflikten kommt?
Edeltraud Schmandt: In vielen Situationen resultieren Konflikte am Arbeitsplatz aus unklaren Rollenverteilungen. Wer ist Ansprechperson für was? Wer hat gegenüber wem Weisungsbefugnis? Welche Arbeitszeiten werden erwartet? Sind diese Fragen nicht geklärt, kommen schnell Missverständnisse auf und Personen sehen sich in ihren Bedürfnissen verletzt. Das kann bei dem wissenschaftlichen Mitarbeiter eine fehlende Orientierung und Sicherheit durch den Vorgesetzten sein oder bei dem Professor mangelnder Respekt und Autonomie vonseiten der Mitarbeitenden. Bleibt ein klärendes Gespräch aus, kann sich der Konflikt schnell verschärfen, bis er schließlich eskaliert und zu einem Bruch oder eben Mobbing führt. Das zeigt sich dann zum Beispiel in anhaltenden, gezielten und oft subtilen Sticheleien gegen eine Person, die häufig nur schwer beweisbar sind.
"Überlegenheit kann sich auch daraus ergeben, dass eine Person ein stärkeres Netzwerk hat als eine andere oder rhetorisch stärker ist."
F&L: Von welchen Mobbingvorwürfen hören Sie häufig?
Edeltraud Schmandt: Oft sind es wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die sich von Vorgesetzten schlecht behandelt, benachteiligt oder ausgegrenzt fühlen. Durch ihre hierarchisch höhere Positionierung können diese leichter Druck ausüben. Beschäftigte berichten zum Beispiel davon, dass bevorzugt andere Forschende für die Zusammenarbeit an Veröffentlichungen oder die Präsentationen für Tagungen gefragt werden oder eine Aufgabe nachträglich übernehmen sollen. In Gesprächen mit mir stellt sich dann heraus, dass eine Person über eine längere Zeit sehr flexibel gearbeitet hat, was durch die recht freie Arbeitsgestaltung und die intrinsische Motivation in der Wissenschaft begünstigt wird. Ändern Beschäftigte ihr Verhalten, zum Beispiel weil sie aufgrund einer veränderten Lebenssituation weniger Freiräume haben, berichten sie von einem fehlenden Verständnis ihrer Vorgesetzten. Es kommt zu Spannungen. Die Überlegenheit einer Konfliktpartei kann sich aber auch daraus ergeben, dass eine Person ein stärkeres Netzwerk hat als eine andere oder rhetorisch stärker ist, während das Selbstwertgefühl der Person, die sich gemobbt fühlt, zunehmend schwindet. Dabei resultieren Konflikte unter Kolleginnen und Kollegen immer wieder aus einem starken beruflichen Druck und dem Gefühl, sich gegenüber anderen durchsetzen zu müssen. Personen werden zum Beispiel wichtige Informationen über Arbeitsabläufe oder Fristen vorenthalten, wodurch sie einen schlechten Eindruck bei Vorgesetzten hinterlassen
F&L: Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die erwähnten Richtlinien tatsächlich greifen und es im besten Fall nicht mehr zu solchen Diskriminierungen kommt?
Edeltraud Schmandt: Richtlinien halte ich für einen zentralen Ansatzpunkt. Hinter denen müssen Hochschulleitungen und andere Verantwortliche dann aber auch stehen und in verschiedenen Kontexten darüber sprechen. Sie könnten zum Beispiel zusammen mit der Personalentwicklung Führungsleitlinien verbindlich implementieren und mehr Schulungen zur Kommunikation im Team und zur Sensibilisierung für Diskriminierung und Mobbing schaffen. Anreize können helfen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Führungsverantwortung zu einer Teilnahme zu animieren, damit sie Konflikte und Diskriminierung früh wahrnehmen und intervenieren. Häufig wird erst um Hilfe gebeten, wenn Konflikte eskaliert sind. Dann sind die Fronten schon so verhärtet, dass es schwer ist, einen Neuanfang im Team zu finden. Wenn Betroffene, Führungskräfte oder auch "Beobachter" dagegen zu einem frühen Zeitpunkt in der Entstehung eines Konflikts zu mir oder anderen Ansprechpersonen kommen, können Arbeitsstrukturen und ein Führungsverhalten, das tendenziell Konflikte verstärkt, im Sinne eines besseren Gesundheitsmanagements verändert werden.