Portraitfoto von Prof. Dr. Johanna Wanka
privat

Serie: 25 Jahre Forschung & Lehre
"Die Uni muss an der Spitze des Wissens-Fortschritts stehen"

Sie hat fünf Jahre die deutsche Bildungspolitik gestaltet. Worauf kam es ihr an? Johanna Wanka über ihre Zeit als Wissenschaftsministerin.

Von Vera Müller 16.08.2019

Forschung & Lehre: Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als das An­ge­bot kam, das Amt der zurückgetrenen Bildungsministerin Annette Schavan zu übernehmen?

Johanna Wanka: Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Tage vorher wurde spekuliert, wer wird jetzt der Nachfolger beziehungsweise die Nachfolgerin? Und da wurde mein Name immer mitgehandelt. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet. Plötzlich rief mich David McAllister an und bat mich, mein Handy anzuschalten. Die Kanzlerin wolle mich erreichen. Ich war völlig überrascht. Dann ging alles sehr schnell: Die Kanzlerin ist schon sehr überzeugend, also habe ich ja gesagt. Für mich war das damals eine Entscheidung für die sieben Monate bis zur Bundestagswahl. Ich denke, aus Sicht der Kanzlerin war es wichtig, jemanden zu haben, dem man nicht erklären muss, was zum Beispiel der Hochschulpakt ist. Verblüfft hat mich auf der ersten Bundespressekonferenz, als ich mich und mein Programm vorgestellt habe, wie die Hauptstadtpresse funktioniert und wie wenig interessiert sie ist an dem, was in den Bundesländern passiert.

F&L: Sie waren dann nicht nur sieben Monate, sondern mehr als fünf Jahre Bundesministerin für Bildung und Forschung. Welche Vorstellung von Universität trieb Sie an?

Johanna Wanka: Für mich ist die Universität ein Ort der geistigen Reflexion, an dem es sehr stark auf den Diskurs ankommt. Ich wünsche mir, dass ethische Diskussionen zum Beispiel zur künstlichen Intelligenz nicht in irgendwelchen Gremien und Räten, sondern in der Universität stattfinden. Die Universität muss an der Spitze des Wissensfortschritts stehen. Sie sollte nicht abgehoben sein, aber sie muss schon ein Ort sein, an dem man diskutieren kann wie nirgendwo sonst in der Gesellschaft. Und das habe ich vermisst, weil sich die Universitäten – auch was die Finanzierung betrifft – oft in einer schwierigen Situation befanden.

"Die Universität muss ein Ort sein, an dem man diskutieren kann wie nirgendwo sonst in der Gesellschaft."

Die Grundfinanzierung zu erhöhen war mir auch aus diesem Grund sehr wichtig. Allerdings wollte ich das zur Verfügung stehende Geld zu einem guten Teil wettbewerblich vergeben, so dass der Bund seine Möglichkeiten nutzt, einen gewissen Einfluss auf die Hochschullandschaft auszuüben. Nicht in dem Sinne, dass er in die Universitäten hineinregiert, sondern Anreize setzen kann. Deutschland ist nicht dann am stärksten, wenn 16 Länder nur das machen, was für sie am besten ist, sondern es geht immer auch um die Frage, was es Deutschland insgesamt bringt. Bei der Exzellenzinitiative beziehungsweise -strategie zum Beispiel gibt es Gewinner und Verlierer. Trotzdem hat es den Wissenschaftsstandort Deutschland international vorangebracht. Mir war es wichtig, das Hochschulsystem perspektivisch zu verändern.

F&L: Hatten Sie Sorge, als Bundesbildungsministerin nicht genug Gestaltungsspielraum zu besitzen?

Johanna Wanka: Ich dachte vorher, das Amt der Bundesbildungsministerin sei nicht so spannend wie das der Landesministerin, weil der direkte Bezug zu den Hochschulen fehlt. Aber als Bundesbildungsministerin beschäftigen Sie sich intensiv mit den Strategien der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dieser Aspekt der Forschungseinrichtungen und die Fragen, wo wir in der Welt stehen und was wir von anderen Ländern übernehmen können und was nicht, waren in den letzten Jahren für mich sehr wichtig und anregend.

F&L: Und die Arbeit in der Großorganisation "Bundesbildungsministerium"?

Johanna Wanka: Ich habe es als großen Vorteil für mich selbst gesehen, dass ich eine Universität beziehungsweise technische Hochschule nicht nur von außen kenne und darüber rede – ich weiß zum Beispiel, wie es im Senat zugeht. Diese Erfahrungen bereicherten die Diskussionen mit den Mitarbeitern im Ministerium. Nicht immer waren ihre Vorstellungen von Hochschule mit meinen ganz kongruent – aber das Ergebnis war ein lebendiger Austausch.