Finanzierung
"Holland in Not" bei Forschung und Austausch
Der Rechtspopulist Geert Wilders hat einen radikalen Kurswechsel für die Niederlande angekündigt. "Wir schreiben heute Geschichte", sagte der Politiker laut Deutscher Presseagentur Mitte Mai in Den Haag bei der Präsentation der Koalitionsvereinbarung von vier rechten Parteien.
Im Mittelpunkt der bisherigen Debatte um den neuen Kurs stehen die Ankündigung der "strengsten Asylpolitik, die es jemals gab" und eine drastische Einschränkung der Zuwanderung. Diese Pläne haben auch Auswirkungen auf den Hochschulsektor. Durch eine Verwaltungsvereinbarung mit den Hochschulen und Universitäten soll die Zahl der internationalen Studierenden in den Niederlanden merklich zurückgehen, wodurch man sich zwischen 2025 und 2028 insgesamt Einsparungen in Höhe von 650 Millionen Euro erhofft. Im Jahr 2021 studierten laut Deutschem Akademischen Austauschdienst (DAAD) immerhin rund 24.400 Personen aus Deutschland in den Niederlanden – das waren 17,8 Prozent aller im Ausland Studierender mit deutschem Pass. An deutschen Hochschulen spielen internationale Studierende eine zunehmend bedeutende Rolle bei den Erstsemestern.
Die Studienmigration im Hochschulbereich solle insbesondere in der Bachelorphase begrenzt werden. Ausnahmen gebe es gemäß der Budgetplanung nur für technische Studiengänge unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten – je mehr Probleme vor Ort, desto stärker die Begrenzung. In der Koalitionsvereinbarung wird zudem am Rande dieses Themenfelds betont, dass die Förderung der niederländischen Sprachkenntnisse wieder zu einer Kernaufgabe der Bildung werde solle, weswegen auch die "Anglisierung" in der Hochschulbildung bis auf strategische Ausnahmen in Bezug auf Fachkräftemangel zurückzudrängen sei.
Stark reduzierte Mittel für Studierende und Hochschulen
Niederländische Studierende, die im Ausland studieren, haben bislang einen staatlichen Zuschuss für öffentliche Verkehrsmittel erhalten. Dieser entfällt ab 2025 ebenso und soll in der kommenden Haushaltsperiode insgesamt 56 Millionen Budgeteinsparung bringen. Besonders rigide behandelt die neue Regierung Studierende und ihre Hochschulen bei Überschreitung der Regelstudienzeit: Strafzahlungen für überzählige Semester sollen mit Beginn zum Wintersemester 2026/27 den Haushalt bis einschließlich 2028 um rund 950 Millionen Euro durch Einsparungen und Mehreinnahmen entlasten. Dazu heißt es konkretisierend in der Haushaltsplanung: "Für Vollzeitstudierende, die sich in der Bachelor- oder Masterphase um mehr als ein Jahr verzögern, erhöht sich der Studienbeitrag um 3.000 Euro. Einrichtungen erhalten pro Langzeitstudierenden 3.000 Euro weniger staatliche Förderung".
Die niederländische Studierendenvertretung (LSVb) hat bereits in einer öffentlichen Verlautbarung angekündigt, Schritte gegen diese Pläne vornehmen zu wollen. LSVb-Vorsitzende Elisa Weehuizen zeigt sich kampfbereit: "Eine Geldstrafe für Langzeitstudenten in jungen Jahren ist ein schwerer finanzieller Schlag, den sich viele junge Menschen und ihre Eltern nicht leisten können. Diese Maßnahme betrifft genau das niederländische Volk, das diese Regierung zu schützen vorgibt. Junge Menschen sind extrem schockiert und bereit, sich dieser Politik zu widersetzen, die eine ganze Generation betrifft".
Unter dem Haushaltstitel "Anpassung der Budgetpläne für den Hochschulsektor" der Haushaltsplanung der Koalition ist vorgesehen, dass beginnend mit 2025 jedes Jahr 215 Millionen Euro weniger an Hochschulmitteln für deren Finanzierung zur Verfügung stehen sollen. Damit sei laut "Universiteiten van Nederland", dem Dachverband der 14 staatlichen Universitäten, die Position von 1.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefährdet, obwohl sie dringend benötigt würden, um die nachweislich hohe Arbeitsbelastung zu begrenzen und Bildung und Forschung auf dem neuesten Stand zu halten.
Weniger Geld für Forschung und Innovation
"Der Forschungs- und Wissenschaftsfonds wird um 1,1 Milliarden Euro gekürzt", heißt es auf der letzten Seite des Haushaltsplans der Koalition ohne weitere Erläuterung. Zusätzlich wolle man aus dem "Nationalen Wachstumsfonds", der Forschung, Entwicklung und Innovation finanziert, aussteigen und weitere 6,8 Milliarden sparen.
"Wenn diese Kürzungen durchgeführt werden, sind wir wieder da, wo wir vor sieben Jahren waren: stark unterbesetzte Universitäten mit prekär beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und unterfinanzierter Forschung", sagte Professor Rens Bod von der Universität Amsterdam gegenüber Times Higher Education (THE). In einem offiziellen Statement zu den Regierungsplänen formuliert der Dachverband "Universiteiten van Nederland" deutliche Kritik an den Plänen: "Die Universitäten sind schockiert über die Kürzungen in Bildung, Forschung und Innovation. Diese Pläne schaden der Zukunft junger Menschen und der Niederlande". Jouke de Vries, Interimsvorsitzender des Verbands, bekräftigt, dass diese Plänen nicht zum Bestreben der sich bildenden Regierung passten, die wissensbasierte Wirtschaft und die Erwerbsfähigkeit der Niederlande zu stärken.
"Diese Kürzungen werden weitreichende Folgen für die Niederlande haben: Überlastung der Lehrkräfte, weniger Zeit und Freiheit für Studierende und Forscher sowie eine Verschlechterung der niederländischen Wissensökonomie", bilanziert der Dachverband die Folgen der Pläne der rechten Koalition.
Aktuelle Regierungsbildung in den Niederlanden
Im November hatte Wilders mit seiner „Partei für die Freiheit“ (PVV) die Parlamentswahl gewonnen. Der 60 Jahre alte Politiker verzichtete auf das Amt des Premiers, um eine rechte Regierung zu ermöglichen. Die künftigen Regierungsparteien sind neben der PVV die rechtsliberale "Volkspartei für Freiheit und Demokratie" (VVD) des bisherigen Premiers Mark Rutte, die rechtskonservative Partei "Neuer Sozialvertrag" (NSC) sowie die rechtspopulistische "Bauernpartei" (BBB). Am 28.5. präsentierten die vier Koalitionspartner den ehemaligen Geheimdienstchef Dick Schoof als neuen Regierungschef. Das ehemalige Mitglied der Sozialdemokraten ist seit einigen Jahren parteilos und leitet aktuell noch den Beamtenapparat des Justiz- und Sicherheitsministeriums.
cva