Michael Ignatieff
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Wissenschaftsfreiheit
Ignatieff enttäuscht von europäischen Regierungen

Der Präsident der ungarischen CEU vermisst ein klares Eintreten der EU-Staaten für die Wissenschaftsfreiheit. Damit riskierten sie etwas Zentrales.

18.07.2019

Der Präsident der ungarischen Central European University (CEU) hat die europäischen Regierungen zu mehr Einsatz für die Wissenschaftsfreiheit aufgerufen. Die Bemühungen zahlreicher Universitäten brächten nichts, wenn die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten keine klare Position gegenüber der ungarischen Regierung bezögen, mahnte Professor Michael Ignatieff im britischen Magazin Times Higher Education (THE).

"Wäre die Einhaltung der Wissenschaftsfreiheit eine Bedingung für die Mitgliedschaft in der EU, wären wir noch immer in Budapest", sagte Ignatieff. "So einfach ist das." Vergangene Woche war die CEU nach Druck der ungarischen Regierung für ihren Teilumzug nach Wien akkreditiert worden.

"Wenn man Regierungen wie die Orbans nicht abschreckt, werden sie so weitermachen, wie bisher", sagte Ignatieff. Länder mit einem freien Wissenschaftssystem müssten deutlicher machen, dass nur zum "Club Europa" gehören könne, wer die Wissenschaftsfreiheit respektiere. Namentlich forderte er mehr Engagement von Großbritannien, den USA, Frankreich und den Niederlanden.

Die Zurückhaltung europäischer Regierungen erklärt er sich laut Artikel damit, dass sie fürchteten, einmal selbst von Sanktionen getroffen zu werden. Dafür nähmen sie in Kauf, dass Europa seine Werte aufgebe.

Hochschulnetzwerke haben bessere Verhandlungsposition

Im Einsatz für die Wissenschaftsfreiheit setzt Dr. Anne Corbett von der London School of Economics (LSE) laut dem THE-Artikel in erster Linie weiter auf den Einfluss der Universitäten. Diese müssten deutlicher machen, dass es ihnen nicht nur um ihre Finanzierung gehe, sondern ihnen die Werte Europas wichtig seien.

Vor allem transnationale Netzwerke könnten ihrer Meinung nach etwas bewirken. Diese könnten Druck auf nationale Rektorenkonferenzen ausüben, die sich wiederum gegenüber den Regierungen der Länder für die Interessen der Hochschulen starkmachen könnten. Dabei müssten sie deutlich machen, dass es dabei nicht nur um Ungarn sondern um ganz Europa gehe.

Noch in dieser Woche hatten die Rektoren aus Deutschland, Österreich und Polen gegen ein geplantes Hochschulgesetz in Ungarn protestiert. Politiker wie Manfred Weber von der CSU hatten vor den Europawahlen zurückhaltend Stellung bezogen. Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermanns hatte sich deutlicher geäußert und war auch deshalb laut Medienberichten von Ländern wie Polen, Slowakei, Ungarn und Tschechien nicht als Kandidat für das Amt des künftigen Kommissionspräsidenten unterstützt worden. 

kas