Auslandsstudium in Dänemark
Internationale Studierende? Nur, wenn sie uns nutzen.

Die dänische Regierung ist unzufrieden mit dem Beitrag internationaler Studierender zur Wirtschaft. Das hat Konsequenzen für die Universitäten.

Von Katrin Schmermund 10.12.2018

Sechs von acht Universitäten in Dänemark müssen die Zahl ihrer internationalen Studierenden in Full Degree-Pogrammen reduzieren. Das Ministerium für Bildung und Forschung ist unzufrieden mit dem Erwerbsverlauf der ausländischen Absolventen, die ihr gesamtes Studium in Dänemark absolviert haben. Zu viele verließen das Land schon nach Studienabschluss oder seien arbeitslos. "Wir können nicht den Bildungsauftrag anderer Länder erfüllen", sagte Bildungs- und Wissenschaftsminister Tommy Ahlers laut einem Bericht der Universität Kopenhagen.

1.000 Plätze in englischsprachigen Programmen sollen bis 2019 wegfallen. Bei insgesamt 22.000 englischsprachigen Studierenden entspräche dies einem Anteil von 4,5 Prozent. Bereits eingeschriebene Studierende könnten ihr Studium noch abschließen.

Der Hochschulforscher Peter Maassen rechnet damit, dass sogar noch mehr als 1.000 Studienplätze wegfallen werden. Schließlich würden nicht nur Studienplätze gekürzt, sondern ganze Studiengänge eingestampft. "Das ist eine tragische Entwicklung für den wissenschaftlichen Austausch und das Bild Dänemarks in der Welt", sagte der Professor an der Universität Oslo gegenüber Forschung & Lehre.

Vonseiten des BMBF sei ein solcher Vorstoß undenkbar, sagte Peter Greisler, Leiter der Unterabteilung Hochschulen im BMBF. "Wir haben von internationalen Studierenden weit mehr als den wirtschaftlichen Gewinn."

Ausländische Studierende: Wie viele bleiben?

42 Prozent der Absolventen von englischsprachigen Masterprogrammen – der typische Abschluss laut dänischem Bildungsministerium – verließen Dänemark innerhalb von zwei Jahren. Nur ein Drittel bleibe und finde innerhalb von zwei Jahren einen Job. In Deutschland liege der Anteil ebenfalls in diesem Rahmen, teilte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit.

Die vorgeschriebenen Kürzungen betreffen die Universitäten Kopenhagen, Aarhus, Aalborg, Southern Denmark und Roskilde sowie die Copenhagen Business School und das VIA University College.

Das Ministerium hat jeder Institution konkrete Vorgaben gemacht, wie viele Plätze die Universitäten streichen müssen. Wie sie das machen, liegt bei ihnen. Man habe ihnen lediglich eine Übersicht zukommen lassen, wie viele Studierende aus welchen Fächern eine Beschäftigung fänden oder das Land verließen, sagte ein Sprecher.

Die Technische Universität (DTU) und die IT University sind laut Ministerium von dem Vorstoß unberührt. Die internationalen Absolventen beider Hochschulen blieben größtenteils in Dänemark und das in angesehenen Branchen. Dennoch kritisiert der "Senior Vice President" der DTU, Philip John Binning, die Entscheidung der Regierung.

"Aus sozio-ökonomischer Sicht ist der Vorstoß eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit dänischer Unternehmen und des dänischen Wohlfahrtssystems", teilte er über die Hochschul-Website mit. "Wir hoffen, dass die Politiker dies noch einmal überdenken."

Der technische Schwerpunkt der DTU ist genau die Fächergruppe, die an anderen Universitäten gekürzt wird, zum Beispiel an der Aalborg Univeristy (AAU).

Viele englischsprachige Studiengänge werden gestrichen

Die Zahl der englischsprachigen Studienplätze muss sich hier um 290 reduzieren. Wie auch einige der anderen Hochschulen streicht die AAU dafür laut eigenen Angaben sieben englischsprachige Studiengänge, drei im Bachelor und vier im Master. In fünf Bachelor- und einem Master-Programm wechselt die Sprache vom Englischen ins Dänische. Ein Studiengang ist vorerst auf Stand-by.

"Das Ministerium hat uns eine spezielle Aufgabe gegeben, die wir sehr unzufriedenstellend fanden. Aber wir haben uns entschieden, strategische Überlegungen in unsere Maßnahmen einzubeziehen, sodass die Streichung von Programmen und der Wechsel der Sprachen in einem weiteren Kontext Sinn machen", formulierte "Pro-Rector" Inger Askehave diplomatisch.

Die Copenhagen Business School (CBS) hat sich entschieden, keine Studiengänge zu streichen. Sie wolle die geforderte Zahl erreichen, indem sie die Plätze innerhalb der Programme reduziere, sagte Bildungsdekan, Gregor Halff, gegenüber Forschung & Lehre.

Internationale Kooperationen gefährdet

"Englischsprachige Programme sind ein wesentlicher Bestandteil der Beziehungen mit den besten Universitäten der Welt", sagte der Rektor der Universität Kopenhagen (UCPH), die 120 englischsprachige Studienplätze streichen muss. Darüber hinaus habe die Entscheidung auch Nachteile für dänische Studierende. Könnten Sie an keinem englischsprachigen Studiengang teilnehmen, hätten sie international schlechtere Berufschancen als die Absolventen aus anderen Ländern.

Steffen Loft von der UCPH sagte: "Die internationalen Studierenden sind fantastische Botschafter für Dänemark." Dieser Aspekt werde völlig außer Acht gelassen. Statt Studierende zu verschrecken, sollte man vielmehr die Aufenthaltschancen nach Studienabschluss verbessern und mehr Kontakte zu möglichen Arbeitgebern für internationale Studierende knüpfen.

Die dänische Entscheidung klingt nach einer weiteren Entscheidung eines Landes, die das Nationale vor dem Europäischen betont. Dabei lebt gerade die Wissenschaft vom internationalen Austausch. "Das stimmt natürlich", sagte CBS-Bildungsdekan Halff. "Aber man müsse beide Interessen sehen – das nationale und internationale." Daher gehe es jetzt darum, Studierenden zu signalisieren, dass sie grundsätzlich weiter willkommen in Dänemark sind. Erreichen will er das über Informationen auf der Website oder Diskussionsveranstaltungen.

Parallel müsse es darum gehen, Wege zu finden, um die Zahl internationaler Studierender künftig nicht noch weiter zu reduzieren, sondern sie stattdessen besser zu integrieren, sich "Talente ins Land zu holen".

"Es sieht so aus, als habe die Politik Angst vor dänischen Steuerzahlern, die internationale Studierende, die nicht in Dänemark bleiben, nicht mitfinanzieren wollen." Hochschulforscher Peter Maassen

Hochschulforscher Maassen wird deutlicher: "Der Vorstoß ist doch einigermaßen nationalpopulistisch geprägt", sagte er. "Es sieht so aus, als habe die Politik Angst vor dänischen Steuerzahlern, die internationale Studierende, die nicht in Dänemark bleiben, nicht mitfinanzieren wollen. Gleichzeitig lassen sich Studiengebühren – wie es sie bereits für Nicht-EU-Ausländer gibt – für EU-Studierende nicht durchsetzen, weil dann auch dänische Studierende zahlen müssten."

Studierende aus der EU würden außerdem über ein mit der Bafög-Finanzierung vergleichbares System gefördert, sagte Maassen. Das störe die rechtspopulistischen Danish People's Party. Das System könne aber nicht so leicht abgeschafft werden, weil dafür eine Gesetzänderung notwendig wäre.

Die Entscheidung als Folge dessen die Zahl der Studienplätze für internationale Studierende in englischsprachigen Programmen zu kürzen, hält er auch für eine verfehlte Wirtschafts- oder Sprachpolitik. "Regierung und Wähler fürchten um die dänische Sprache und Kultur." Anstatt jedoch englischsprachige Studienplätze zu kappen, könnte man auch vielmehr proaktiv Sprachpolitik betreiben, indem man etwa dänische Programme für internationale Studierende öffne und ihnen vorab einen kostenlosen Sprachkurs anbiete.

BMBF: Auslandsstudium sorgt für Affinität zum Gastland

Für das BMBF sei nicht so zentral, ob ausländische Absolventen später im Land arbeiteten, teilte eine Sprecherin mit. Statt besorgt um einen "Brain Drain", also den Verlust von Wissen, zu sein, sei der Ansatz der Bundesregierung "Brain Circulation". Im Vordergrund stehe der internationale akademische Austausch auch ohne eine unmittelbare Absicht in Deutschland zu bleiben. 

Das BMBF gehe davon aus, "dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen immer auch Kompetenz und damit einhergehend eine Affinität für unser Land mit sich bringen", erklärte eine Sprecherin. Das gelte unabhängig davon, in welchem Land sie arbeiteten.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, sprach auf der HRK-Konferenz von einem "philantropischen" Ansatz im deutschen Hochschulsystem, der sich deutlich von dem "neoliberalen", wirtschaftsnahen Modell unterscheide, das insbesondere für den angloamerikanischen Raum typisch sei. Aber natürlich seien Hochschulen nicht allein aus einem Interesse für die Gemeinschaft international orientiert. Es gehe immer auch um Exzellenz.

Auch die deutsche Regierung interessiert der wirtschaftliche Gewinn. "Wir profitieren, wenn 30 Prozent der ausländischen Studierenden für eine gewisse Zeit bei uns bleiben und arbeiten", sagte Greisler. "Das finanziert 100 Prozent der Kosten aller ausländischen Studierenden – und es bleiben mehr bei uns."

Der Frage, welcher Prozentsatz denn zufriedenstellend für die dänische Regierung sei, wich ein Sprecher aus: "Dänemark ist sehr international. Daran wird sich auch dadurch nichts ändern, dass es künftig 1.000 internationale Studierende weniger geben soll." 

Ob es weitere nationalistisch orientierte Tendenzen in der dänischen Hochschulpolitik gibt? Davon habe er zumindest noch nichts mitbekommen, sagte Hochschulforscher Maassen.