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IPCC-Klimabericht
Weltklimarat zeigt Auswege aus der Klima-Katastrophe

Die Folgen des Klimawandels werden immer spürbarer. Der neue IPCC-Bericht beschreibt, was die Menschheit tun muss, um das Schlimmste zu verhindern.

04.04.2022

"Wir wissen, dass wir vor einer Katastrophe stehen", warnte vor zwei Wochen die stellvertretende UN-Generalsekretärin Ligia Noronha zum Auftakt der jüngsten Beratungen des Weltklimarats der Vereinten Nationen – dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Die Erde wird immer heißer, die Folgen treffen bereits Milliarden Menschen weltweit. Doch eine Vielzahl an Aktionen könnte die menschengemachte Klimaerwärmung und damit die drohende Klimakatastrophe zumindest mindern. Zusammengenommen sei es damit möglich, die weltweiten Emissionen bis 2030 mindestens zu halbieren. Das geht aus dem neuesten Bericht des Weltklimarats hervor, den dieser am Montag in Genf veröffentlicht hat.

Die Beurteilungen des IPCC dienen weltweit als wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungen zum Klimaschutz. Der Klimarat selbst gibt keine politischen Handlungsempfehlungen, zeigt aber verschiedene Wege auf.

Zur Eindämmung des Klimawandels würden demnach vor allem schnelle und umfassende Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen in allen Lebensbereichen beitragen, etwa durch den Einsatz klimaneutraler Energie aus Sonne, Wind, Wasser oder Kernkraft sowie durch einen geringeren Energieverbrauch in Industrie, Verkehr und privaten Haushalten. Auch Techniken, um CO2 und andere Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen und zu speichern, seien eine Option, allerdings eher als Ausgleich von unvermeidbaren Restemissionen. Solche sogenannten negativen Emissionen seien insbesondere dann notwendig, wenn die Reduktion der Emissionen nicht schnell genug voranschreite, um Klimaneutralität rechtzeitig zu erreichen. Dies sei unter anderem im Verkehrswesen zu erwarten.

Den deutlichsten Effekt hätte ein tiefgreifender Wandel im Energiesektor, unter anderem durch Reduktionen der fossilen Energieträger, den Ausbau alternativer Energien, die Elektrifizierung des Verkehrs und Umstellung auf klimaneutrale Gebäude. Die Industrie müsse deutlich effektiver arbeiten, klimaneutrale Produktionsprozesse etablieren und mehr Rohstoffe recyclen. Dies sei eine Herausforderung, aber machbar.

Auch der nachhaltigen Landnutzung komme eine bedeutende Rolle beim Klimaschutz zu, diese könne aber Versäumnisse anderer Sektoren nicht ausgleichen. Der persönliche Lebensstil habe ebenfalls einen entscheidenden Einfluss, allerdings dürfe die politische Verantwortung nicht auf den Einzelnen abgewälzt werden, betonen die Autorinnen und Autoren.

"It´s now or never": Klimarat sieht Welt an einem Scheideweg

Ohne diese Maßnahmen sei das global gesetzte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, nicht mehr einzuhalten, warnte der IPCC. Die Treibhausgas-Emissionen dürften für dieses Ziel ihren Höhepunkt spätestens 2025 erreichen und müssten bis 2030 um mindestens 43 Prozent reduziert werden. In den frühen 2050er Jahren müsse dann "net zero" erreicht sein, also Klimaneutralität. Die 1,5-Grad-Schwelle werde so voraussichtlich zeitweise trotzdem überschritten, könne aber bis zum Ende des Jahrhunderts wieder stabil erreicht werden.

"Wir stehen an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern. Wir haben die Werkzeuge und das Know-how, die zur Begrenzung der Erwärmung erforderlich sind", sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee bei der Veröffentlichung des Berichts am Montag. "It´s now or never", ergänzte Jim Skea, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat.

Hoffnungsvoll stimme den Klimarat, dass in den vergangenen Jahren viele Länder bereits einige effektive Infrastrukturen, Regularien und Gesetze zum Klimaschutz ins Leben gerufen hätten. Unter anderem seien so die Kosten für erneuerbare Energien gesunken. Diese Maßnahmen machten sich bereits in einem langsameren Anstieg der Emissionen bemerkbar, müssten nun aber deutlich ausgeweitet werden, um den notwendigen Wandel in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.

Zur Eindämmung der Klimafolgen seien noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Als Beispiele nannte der IPCC Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern und globalen Finanzströmen. Neben technischen, ökologischen und ökonomischen Hürden, seien vor allem soziokulturelle Interessenkonflikte zu lösen. Die Möglichkeiten seien aber grundsätzlich gegeben, um theoretisch alle Hürden überwinden zu können.

Zum Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen aktuellen Diskussionen um kurzfristig angepasste Energieversorgung und -einsparungen äußerte sich der Klimarat in seinem Bericht nicht. Bei dessen Vorstellung betonte der IPCC jedoch, dass Investitionen in fossile Energieträger, die nun getroffen würden, dem Pariser Klimaziel entgegen stünden.

Wie kam der IPCC-Bericht zustande?

278 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 65 Ländern, darunter 14 aus Deutschland, haben für den jüngsten IPCC-Bericht in den vergangenen Jahren rund 18.000 Studien zusammengefasst. Weitere 354 Autorinnen und Autoren haben bei der Erstellung des Berichts geholfen. Vertreter der Regierungen der 195 Mitgliedsstaaten des Weltklimarats haben den Bericht in den vergangenen zwei Wochen virtuell diskutiert und – mit deutlichen Verzögerungen bei der finalen Abstimmung – schließlich am Montag die im Bericht enthaltene Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger verabschiedet. Die Veröffentlichung wurde kurzfristig um einen halben Tag verschoben.

Der Bericht "Climate Change 2022: Mitigation of climate change" ist der letzte von insgesamt drei Teilen des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts (AR6) des Weltklimarats. Wärend die ersten beiden Teilberichte im August 2021 und Februar 2022 das weltweite Ausmaß, die zu erwartenden Folgen und möglichen Anpassungen an den Klimawandel zusammengefasst haben, zeigt die Arbeitsgruppe III in dem aktuellen Bericht erstmals konkrete Lösungswege auf. Alle drei Teile sollen im September als Synthesebericht zusammengefasst vorliegen, so dass die Politik im November bei der 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich darauf zurückgreifen kann.

Der Weltklimarat veröffentlicht etwa alle sechs bis sieben Jahre einen neuen Bericht. Seit dem Fünften Sachstandsbericht des IPCC (AR5) aus dem Jahr 2014, aus dem das Pariser Klimaabkommen (2015) hervorgegangen ist, sind vom Weltklimarat bereits drei Zwischenberichte erschienen: Sie beschreiben die Klimafolgen der 1,5 Grad-Erwärmung (2018) und deren Auswirkungen auf Land und Wasser (je 2019).

aktualisiert am 04.04.2022 um 18:04 Uhr, zuerst veröffentlicht um 17:00 Uhr

ckr