Illustration und Symbolbild: Zahnräder und eine Glühbirne mit einem Verkaufsschild
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Wissenserzeugung und Wissensverbreitung
Geistiges Eigentum – Fluch oder Segen?

Rechte an geistigen Gütern schützen Wissenschaftler auch im Digitalzeitalter. Dennoch müssen stets aufs Neue weitere Interessen ausgeglichen werden.

Von Franz Hofmann 26.04.2023

Neues Wissen soll nicht nur fortwährend generiert, sondern auch geteilt werden. Um beide Ziele zu erreichen, kann sich eine Gesellschaft unterschiedlicher Steuerungsinstrumente bedienen – staatlicher wie privater. Vielfach finden sich Mischformen: Der Wissenschaftsbetrieb setzt zwar vorwiegend auf staatliche Forschungsförderung. Über ein komplexes Verteilungssystem öffentlicher Forschungsgelder sollen Innovationen ermöglicht werden. Die Wissensverbreitung ist hingegen vielfach privatisiert. Wissenschaftsverlage machen das Wissen nicht nur geordnet zugänglich, sondern besorgen auch seine Archivierung. Grundlage hierfür ist das Recht des geistigen Eigentums, genauer: das Urheberrecht.

"Sollte der Staat die Erzeugung und Zugänglichmachung von Wissen komplett selbst organisieren?"

Eine steigende Zahl an Open-Access-Veröffentlichungen, aber auch Open-Source-Software und der Gedanke von Open Innovation, wirft unwillkürlich die Frage auf, ob Urheber- oder auch Patent- und Designrechte noch zeitgemäß sind. Oder anders gewendet: Sollte der Staat nicht besser die vornehmste Aufgabe einer modernen "Wissensgesellschaft" – Erzeugung und Zugänglichmachung von Wissen – komplett selbst organisieren? Um es vorwegzunehmen: Es geht nicht um ein Entweder-oder. Es gilt, die Rechte des geistigen Eigentums so auszugestalten, dass sie der (modernen) Gesellschaft bestmöglich dienen. Die Interessen von Schöpfern, Rechteinhabern, Nutzern und der Allgemeinheit sind gleichrangig auszugleichen. Mitunter bedarf es aber auch – im öffentlichen Interesse – starker Schutzrechte!

Patente im Dienste der Gesellschaft

Der Prototyp der gewerblichen Schutzrechte ist das Patentrecht. Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt. Die Entstehung des Patentschutzes setzt nicht nur die formale Registrierung voraus, sondern es muss auch eine Erfindung vorliegen. Wissenschaftliche Theorien sind genauso wenig patentfähig wie Geschäftsmethoden oder bloße Forschungsdaten. Zudem muss die Erfindung neu sein und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Das Patent gewährt dem Rechtsinhaber für 20 Jahre das ausschließliche Recht, die Erfindung exklusiv zu verwerten. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Aufwendungen für Forschung und Entwicklung amortisieren; es winkt auch ein Gewinn. Gesamtgesellschaftlich ist dies ein guter Deal, zumal über die Patentanmeldung die Erfindung offengelegt werden muss. Das patentrechtliche Anreizparadigma wurde zwar nie zweifelsfrei empirisch überprüft. Es liegt aber auf der Hand, dass Investitionen umso stärker unterbleiben, je weniger der Innovator von seinen Mühen profitiert. Können Erfindungen mühelos nachgeahmt werden, droht im Übrigen eine Flucht in die faktische Geheimhaltung. Wer im Lichte der Corona-Pandemie die Freigabe von Patenten auf Impfstoffe fordert, hat daher meist nur eine Seite der Medaille im Blick.

"Im Raum steht nicht das Ob des Patentschutzes, sondern seine Ausgestaltung im Detail."

Selbstverständlich könnte der Staat die Entwicklung besserer Energiespeicher, neuer Medikamente oder ressourcenschonenderer Fahrzeuge selbst in die Hand nehmen. An Universitäten wird dies täglich getan. Allerdings ist eine Gesellschaft gut beraten, die Innovationskraft Privater ebenfalls anzuzapfen. Wo Forschung Durchbrüche erfährt, lässt sich nicht von oben steuern; es bedarf dezentraler Initiative. Dessen ungeachtet ist immer wieder zu fragen, ob Patente situationsspezifisch überschießende Wirkung haben. Im Raum steht nicht das Ob des Patentschutzes, sondern seine Ausgestaltung im Detail.

Urheberrecht als Persönlichkeits- und Investitionsschutzrecht

Auch das Urheberrecht gewährt keinen allgemeinen Ideenschutz. Geschützt werden Werke der Wissenschaft, Literatur und Kunst. Während beispielsweise die Schriftfassung einer wissenschaftlichen Publikation Urheberrechtsschutz erfahren kann, nimmt die dahinterstehende Theorie am Schutz nicht teil. Schutz genießen können neben allen Arten von Texten auch Fotografien, konkrete Grafiken oder Computerprogramme.

Dritten kann der Urheber nicht nur die Vervielfältigung seines Werkes untersagen; über sein Ausschließlichkeitsrecht können etwa auch Uploads ins Internet, unter bestimmten Voraussetzungen gar Verlinkungen, untersagt werden. Dies zeigt zugleich: Digitale Sachverhalte verlangen vielfach nach einer neuen Bewertung, um das Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Zugang interessengerecht zu konfigurieren.

Das Urheberrecht wird traditionell als Persönlichkeitsrecht verstanden. Der Urheber legt demnach seinen schöpferischen Geist in sein Werk. Obwohl diese Erzählung für die meisten Werke nicht zutrifft (für die Schaffung von Software ist dies geradezu grotesk), findet das Narrativ ausgerechnet im Wissenschaftsbetrieb eine Stütze: Auf die Nennung der Urheberschaft an seiner Publikation wird kein Wissenschaftler verzichten wollen. Die Anerkennung der Urheberschaft ist nicht nur Motivation, sondern für den wissenschaftlichen Diskurs schlechthin konstitutiv. Wissenschaftliche Veröffentlichungen müssen zugeordnet werden können. Neben den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis hilft hier das Urheberpersönlichkeitsrecht.

Internationaler Tag des geistigen Eigentums

Am 26. April begeht, auf Anregung der Unesco, die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) jährlich den Welttag des geistigen Eigentums (World IP Day / World Intellectual Property Day). Veranstaltungen zu diesem Tag sollen die Bedeutung der Rechte geistigen Eigentums – wie Patente, Marken, Designs, Urheberrechte – für die Förderung von Innovation und Kreativität klarstellen.

Die wirtschaftlich relevanten Nutzungsrechte (Schutzdauer: 70 Jahre bis nach dem Tod des Autors) liegen praktisch meist bei Verwertern. Ehe beispielsweise ein Verlag eine Monografie vermarktet, lässt er sich das "ausschließliche Nutzungsrecht" am Buch einräumen. Auf diese Weise will er sicherstellen, dass er gegen unautorisierte Nachdrucke vorgehen kann. Insoweit ist das Urheberrecht Investitionsschutzrecht. Auch Qualitätsjournalismus kommt ohne Urheberrecht nicht aus. Die Behauptung, zumindest für staatlich finanzierte Forschungsprojekte bedürfe es keines Urheberrechtsschutzes ("der Professor ist bereits bezahlt"), greift daher zu kurz. Immaterialgüterrechtliche Anreize zur Forschung sind zwar genauso wenig erforderlich wie eine zusätzliche Vergütung, obgleich im Kampf um die besten Köpfe zusätzliche finanzielle Anreize, zum Beispiel im Bereich populärwissenschaftlicher Literatur, nicht diskussionslos beiseite gewischt werden sollten. Allerdings geht es auch gar nicht um das Problem der Schöpfung, sondern – dem nachgelagert – um die Zugänglichmachung derselben. Dies kostet Geld. Will der Staat nicht selbst einspringen, kommt er am Urheberrechtsschutz nicht vorbei. Auch wenn es für Open Access gute Gründe geben mag, darf eines nicht vergessen werden: There is no such thing as a free lunch!

Markenrecht, Designrecht und Innovation

Zum Recht des geistigen Eigentums zählen auch Markenrechte. Marken "monopolisieren" nicht einzelne Zeichen, sondern verbieten es Dritten, das geschützte Zeichen (zum Beispiel Hugo) für bestimmte Waren (zum Beispiel Bekleidung) zu verwenden. Primär dienen Marken dazu, einer Verwirrung um die Herkunft von Produkten vorzubeugen. Könnten "Markenprodukte" nicht einem bestimmten Hersteller zugeordnet werden, würde aber zugleich auch ein Anreiz genommen, in die Qualität entsprechender Produkte zu investieren. Während Universitäten zunehmend Marken registrieren, um sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst als Marke zu etablieren (häufig geht es freilich lediglich um das Geschäft rund um Merchandising-Artikel), kann auch der Vertrieb von Innovationen über eine Marke indirekt abgesichert werden. Anders als der Patentschutz ist das Markenrecht zeitlich nicht begrenzt.

"Universitäten registrieren zunehmend Marken, um sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst als Marke zu etablieren."

Das Designrecht findet seine Rechtfertigung ebenfalls im Schutz von Investitionen. Für den Verkaufserfolg eines Produkts kommt es neben seinen technischen Vorzügen oder auch seiner Herkunft ("Markenprodukt") vielfach gerade auf sein Design an. Unter der Voraussetzung, dass das Design neu ist und "Eigenart" aufweist, kann es im Falle seiner Registrierung für 25 Jahre, im Übrigen für drei Jahre geschützt werden.

Geistiges Eigentum als eine der Säulen für Innovationen

Rechte des geistigen Eigentums sind eine Säule der Innovationsförderung und Wissensverbreitung. Auch in der Digitalgesellschaft bleiben wohlverstandene Immaterialgüterrechte Garant für Innovation und Kreativität. Allen voran kann das Innovationspotenzial Privater durch die Gewährung von Schutzrechten gehoben werden. Dass Zugangsinteressen Dritten gleichrangig zu berücksichtigen sind, erscheint als Binsenweisheit. Für die Funktionsfähigkeit des Systems (zum Beispiel Ermöglichung von Folgeinnovationen), aber auch seiner Akzeptanz, kann dies freilich nicht ernst genug genommen werden.

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Mit dem Urheberrecht und geistigem Eigentum in der Wissenschaft beschäftigten sich auch zwei Themenschwerpunkte von "Forschung & Lehre". Jetzt lesen!