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Urheberrecht
Wem die digitale Vorlesung gehört

Was passiert eigentlich mit Online-Vorlesungen, wenn Dozentinnen und Dozenten eine Hochschule verlassen? Eine rechtliche Einordnung.

15.03.2021

Digitale Vorlesungen lassen sich in vielen Fällen mehrfach verwenden. Rechtlich steht das aber grundsätzlich nur der Person zu, die diese auch erstellt hat, erklärt Professor Matthias Leistner von der LMU München gegenüber Forschung & Lehre. Andere Hochschulangehörige dürfen die Lehrmaterialien demnach nur nach einer Einwilligung des Urhebers oder der Urheberin nutzen.

"Die Rechtslage gilt genauso wie für Skripte, die eine Dozentin oder ein Dozent erstellt hat", sagt Leistner. Neu sei in der digitalen Lehre die persönlichkeitsrechtliche Komponente: "Das Persönlichkeitsrecht sichert den Lehrenden ihr Recht am eigenen Bild und möglicherweise sogar an der eigenen Stimme", so der Juraprofessor. Das Recht am eigenen Bild sei eindeutig geklärt, zum Recht an der eigenen Stimme gebe es noch wenige Gerichtsurteile. Daher könne er dazu keine abschließende Aussage treffen.

Eine Hochschule kann sich von Beschäftigten laut Leistner ein "einfaches Nutzungsrecht" für Lehrmaterialien einholen. "Einfach" bedeutet, dass die Lehrmaterialien von der Hochschule, und nach entsprechender Vereinbarung mit der Urheberin oder dem Urheber auch von anderen Personen genutzt werden dürfen. "Bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann sich die Hochschule ein solches Nutzungsrecht über den Arbeitsvertrag einholen", sagt Leistner. "Bei Professorinnen und Professoren ist das aufgrund ihrer Freiheit in Forschung und Lehre nicht möglich." Das einfache Nutzungsrecht dürfe allenfalls projektbezogen erfragt werden.

Nutzungsrechte bei Wechsel der Hochschule oder Todesfall

Verlassen Professorinnen und Professoren eine Hochschule, darf diese deren digital gespeicherten Lehrmaterialien grundsätzlich nicht weiterverwenden. Anders kann das bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aussehen: Hat sich die Hochschule ein einfaches Nutzungsrecht eingeholt, kann sie deren Materialien nach einem Wechsel grundsätzlich weiterverwenden.

Mit Verweis auf ihr Persönlichkeitsrecht könnten Dozierende ein erteiltes Nutzungsrecht jederzeit widerrufen, sagt Leistner. Begründen könnten sie das etwa damit, dass die Materialien auf eine für sie herabsetzende Art und Weise eingesetzt würden oder stark verändert worden seien. Die Dozierenden selbst wiederum dürften ihre Lehrmaterialien in der Regel am neuen Standort weiter einsetzen.

In Kanada sorgte zuletzt ein Fall für Aufsehen, bei dem die digitale Aufzeichnung eines verstorbenen Hochschullehrers weiterhin online verfügbar war. Die Hochschule hatte nicht gekennzeichnet, dass der Hochschullehrer verstorben war, sodass ihn mehrere Studierende zu kontaktieren versuchten.

Leistner hält das nicht nur für ethisch fragwürdig, sondern in Deutschland auch für rechtlich problematisch. "Mit dem Tod einer Person geht das Urheberrecht an die Erben der Person über", erklärt er. "Bei einem für die Tätigkeit an der Hochschule erteilten Nutzungsrecht, müssten die Materialien nach dem Todesfall gelöscht werden." Wenn die Hochschule ein unbegrenztes Nutzungsrecht erhalten habe, könnten Erben zumindest einen Vermerk über den Todesfall verlangen. Darüber hinaus könnten Angehörige sich das Persönlichkeitsrecht zunutze machen. "Sie sind berechtigt der Nutzung widersprechen, wenn sie darin die Würde des Verstorbenen verletzt sehen", sagt Leistner.

kas