Geballte Faust
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Anfeindungen gegen Forschende
Bundesweite Beratung für angefeindete Wissenschaftler im Aufbau

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihrer Forschung an die Öffentlichkeit gehen, werden vermehrt angegriffen. Eine Anlaufstelle startet.

09.02.2023

Der Bundesverband Hochschulkommunikation und die Initiative Wissenschaft im Dialog planen eine bundesweite Anlaufstelle für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Zusammenhang ihrer Wissenschaftskommunikation Anfeindungen erleben. Aktuell ist "SciComm-Support – Anlaufstelle bei Angriffen und Konflikten in der Wissenschaftskommunikation" im Aufbau, im Frühling starten eine Webseite und eine 24-stündige Telefonhotline. Dies erläutert die Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation, Julia Wandt, gegenüber "Forschung & Lehre" am Donnerstag.

Mehr Angriffe und Konflikte in der Wissenschaftskommunikation

Die Anlaufstelle sei eine Reaktion auf die deutlich gestiegene Zahl von Fällen in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Hochschulkommunikatorinnen und Hochschulkommunikatoren in den letzten drei bis vier Jahren Anfeindungen erlebt haben. Laut einer im Herbst 2021 veröffentlichten Umfrage des Magazins "Nature" gaben zwei Drittel der befragten Forschenden, die mehrheitlich in Großbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zum Coronavirus arbeiten, an, dass sie negative Erfahrungen im Anschluss an Medienauftritte erlebt haben. Ein knappes Viertel berichtete damals von Drohungen mit körperlicher und sexueller Gewalt.

Hinter den gestiegenen Anfeindungen gegenüber Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren stehe auch die veränderte Debattenkultur, so Wandt. Gerade im Bereich der Sozialen Medien gingen Diskussionen leicht in persönliche Angriffe über. Die Anlaufstelle möchte zukünftig allerdings nicht nur bei Anfeindungen im digitalen Raum helfen, so Wandt. Ebenso sollen Betroffene von verletzenden Darstellungen im Zusammenhang mit ihrer Wissenschaftskommunikation in traditionellen Medien oder von direkten Angriffen, wie etwa durch Drohbriefe, in der Anlaufstelle Unterstützung finden.

Wann es zu Anfeindungen von Forschenden kommt

Besonders bei Forschungsinhalten mit hohem gesellschaftlichem Bezug käme es zu vermehrten negativen Resonanzen, erläutert Wandt. Neben der Coronaforschung sei dies etwa auch bei Forschung der Fall, die Tierversuche nutzt, aber auch wenn es um Genderthemen und den Klimawandel gehe.

Die geplante Webseite soll demnach Empfehlungen und Handlungsleitlinien bündeln und erste Fragen beantworten. Für Personen, die ein persönliches Gespräch benötigten, werde es eine Telefonhotline geben, über die diese mit professionellen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren aus dem Bundesverband Hochschulkommunikation sprechen könnten, die für die Beratung speziell geschult seien. Ebenfalls geplant seien Trainings, die Forschende auf den Umgang mit negativen Rückmeldungen vorbereiten und ihnen Hilfestellungen zur Deeskalation geben sollen. "Wir möchten die Resilienz des Wissenschaftssystems stärken. Uns geht es darum, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter kommunizieren", erläutert Wandt.

Wen die Anlaufstelle berät

Die Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation rechnet mit einer hohen Resonanz, auch weil es sich bei "SciComm-Support" um ein unabhängiges, vertrauliches und bundesweit tätiges Angebot handeln werde, nicht nur von Hochschulangehörigen nutzbar, sondern auch von Mitarbeitenden an außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Im Januar hatten die Niederlande ein ähnliches Angebot für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestartet, die an einer der 14 niederländischen Universitäten angestellt sind, die zur "Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften" oder dem "Dutch Research Council" gehören. In Deutschland gibt es bereits den "Mayday-Button" des "WissKon-Netzwerks" des "Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation" (Nawik), über den sich betroffene Mitglieder nach einer Registrierung mit anderen ebenfalls von Anfeindungen Betroffenen vernetzen und gegenseitig beraten können.

cpy