Ein Mädchen hält eine leuchtende Kugel in der Hand
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Buchveröffentlichung "Young Scientists"
Junge Akademie will Kinder für Wissenschaft begeistern

Die Junge Akademie hat ein Buch herausgegeben, das Kindern Karrierewege in die Forschung aufzeigen soll. Kann das funktionieren? Ein Gespräch.

Von Ina Lohaus 11.08.2023

Das Interesse von jungen Menschen für die Wissenschaft zu wecken, das hat sich die Junge Akademie in dem von ihr herausgegebenen Buch zum Ziel gesetzt. Darin berichten 30 Forschende von ihren eigenen Wegen in die Wissenschaft und ihren Forschungsfragen. Ein Interview mit Professorin Astrid Eichhorn, Mitinitiatorin dieses Buches.

Forschung & Lehre: Wie haben Sie persönlich den Weg in die Wissenschaft gefunden?

Astrid Eichhorn: Für mich entschied sich erst in den letzten beiden Jahren vor dem Abitur, dass ich Physik studieren würde. Davor interessierten mich viele andere Themen, aber Physik gar nicht. Das änderte sich mit einem großartigen Physiklehrer, dessen Unterricht mir klarmachte, dass Physik nichts mit Auswendiglernen von Formeln zu tun hat, sondern mit dem tiefen Verstehen unserer Welt. Das Stellen immer fundamentalerer Fragen darüber, wie unsere Welt funktioniert, hat mir sehr viel Spaß gemacht und mich zum Physikstudium und danach zum Promovieren motiviert.

Porträtfoto von Prof. Dr. Astrid Eichhorn
Astrid Eichhorn ist Professorin für Physik an der University of Southern Denmark. privat

F&L: Wie ist in der Jungen Akademie die Idee zu diesem Kinderbuch entstanden?

Astrid Eichhorn: Wir haben uns inspirieren lassen von einem ähnlichen und sehr erfolgreichen Projekt der Schwedischen Jungen Akademie. Innerhalb der europäischen jungen Akademien – die eine sehr aktive und innovative Akademienlandschaft bilden – sind wir in einem losen Verbund vernetzt und tauschen uns regelmäßig zu Projekten aus. So manche spannende Idee zur Wissenschaftspolitik, Wissenschaftskommunikation oder sogar zu interdisziplinären Forschungsprojekten hat sich so schon in Europa verbreitet – ganz wie die Idee zu Jungen Akademien selbst, die ausgehend von Deutschland im Jahr 2000 sogar weltweit in vielen Ländern ähnliche Initiativen veranlasst hat.

F&L: Das Buch richtet sich an Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Warum soll schon in diesem Alter das Interesse anWissenschaft geweckt werden?

Astrid Eichhorn: Dies ist ein Alter, in dem viele Stereotype immer wichtiger werden – zum Beispiel Geschlechterstereotype, die Mädchen von MINT-Fächern fernhalten. Gleichzeitig haben viele Kinder und Jugendliche in diesem Alter noch ihre kindliche Neugier und Wissbegierde und lassen sich für viele spannende Fragen begeistern. Wir hoffen, dass wir daran anknüpfend zeigen können, wie divers die Fragen sind, die in der Wissenschaft gestellt werden, und wie divers auch die Menschen, die diese Fragen stellen. So hoffen wir, den Stereotypen etwas entgegenzusetzen und deutlich zu machen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz verschiedene Menschen sind.

F&L: Wie wichtig sind Vorbilder in der Wissenschaft, gerade für Mädchen?

Astrid Eichhorn: Vorbilder sind sehr wichtig, denn sie machen Mut und zeigen, dass Träume, die vielleicht unrealistisch erscheinen mögen, realisierbar sind. Wenn man sieht, dass "jemand wie man selbst" den Weg, von dem man träumt, bereits gegangen ist, dann stellt sich schneller das Gefühl ein, dass man auf diesen Weg gehört. Und dieses Gefühl von Zugehörigkeit kann mitentscheidend dafür sein, ob man ein Studium abbricht oder abschließt, sich für oder gegen eine Promotion entscheidet, und ein Postdocstellenangebot annimmt oder ablehnt.

F&L: In den kurzen Portraits werden auch jeweils die Forschungsthemen vorgestellt. Wie schwierig ist es, diese für
Kinder verständlich zu beschreiben?

Astrid Eichhorn: Das hängt sicher auch vom Forschungsfeld ab. Ich glaube, hier ist es zentral, Kinder nicht zu unterschätzen – auch abstrakte Ideen und Konzepte lassen sich Kindern vermitteln. Ich bin davon überzeugt, dass sich jedes Forschungsthema, zumindest in relativ groben Zügen, darstellen lässt. Wichtig ist, auf keinen Fall zu glauben, dass ein Forschungsthema nur von den Kolleginnen und Kollegen im eigenen Feld verstanden werden kann, und den Versuch der verständlichen Beschreibung gar nicht erst zu starten. Von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die wir um ihr Porträt gebeten haben, kam meistens eine enthusiastische Reaktion zurück. Ich denke, das zeigt, wie wichtig die Vermittlung von Forschungsthemen und -methoden, gerade auch an Kinder, inzwischen genommen wird. Entscheidend für die Verständlichkeit der Texte war aber auch, dass wir die Texte nicht selbst geschrieben haben, sondern dass sie von einer Autorin, Miriam Holzapfel, geschrieben wurden, die Erfahrung im verständlichen Erklären von komplexen Sachverhalten für Kinder hat. Die Vermittlung von Forschungsinhalten kann von dieser Art von Zusammenarbeit und Professionalisierung sehr profitieren.

F&L: Die Texte aller 30 Forschenden erzählen Erfolgsgeschichten. Kann das den Kindern und Jugendlichen vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenswelt Mut machen, eigene Wege in die Wissenschaft zu suchen?

Astrid Eichhorn: Manche der Texte erzählen Geschichten, die nicht als Erfolgsgeschichten angefangen haben. Nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Buch wussten von klein auf, dass sie später forschen würden. Wir hoffen, dass wir mit manchen ungewöhnlichen, nicht gradlinig verlaufenen Wegen, von denen im Buch berichtet wird, vor allem Kindern Mut machen können, deren unmittelbare Umgebung, sei es im Elternhaus, Freundeskreis oder in der Schule, die Wissenschaft als Berufswahl nicht nahebringt. Außerdem hoffen wir, dass Kinder sich von den Forschungsthemen inspirieren lassen. Forschung gibt es zu einer so großen Vielfalt an Themen, dass eigentlich jede Frage, die man spannend findet, zu einem Forschungsprojekt werden kann. Und Fragen stellen ja eigentlich alle Kinder gern.

Miriam Holzapfel: Young Scientists. 30 Forschende & ihre Wege in die Wissenschaft! Carl Hanser Verlag
2023, 20 Euro.