Gemeinsame Berufungsverfahren
Professur als Bindeglied zwischen Institutionen
Unter einer gemeinsamen Berufung versteht man ein Berufungsverfahren einer Hochschule zusammen mit einem außeruniversitären Forschungsinstitut. In der Regel sind damit Leitungsaufgaben an der außeruniversitären Forschungseinrichtung verbunden, während die Pflichten an der Universität stark reduziert werden.
In den meisten Bundesländern gibt es zwar eine entsprechende Grundlage im Hochschulrecht für gemeinsame Berufungen, Detailregelungen zur Durchführung und Ausgestaltung gemeinsamer Berufungsverfahren sucht man jedoch vergeblich. Die üblichen Verfahren bei gemeinsamen Berufungen haben sich daher im Laufe der Zeit aus sich selbst heraus entwickelt. Durchgesetzt haben sich vor allem die folgenden vier Modelle:
Jülicher Modell
Sehr häufig werden gemeinsame Berufungen im sogenannten "Jülicher Modell" durchgeführt. Dabei wird die Professorin oder der Professor – soweit die individuellen Verbeamtungsvoraussetzungen erfüllt sind – in ein Beamtenverhältnis an der Hochschule berufen. "In der gleichen logischen Sekunde mit der Ernennung" erfolgt eine Beurlaubung aus dienstlichem Interesse ohne Bezüge für eine Wahrnehmung der Leitungstätigkeit am außeruniversitären Forschungsinstitut. Dazu wird im Rahmen der Berufungsverhandlungen ein Anstellungsvertrag mit dem Forschungsinstitut abgeschlossen. Dieser sollte idealerweise weitgehend analog zu einem Beamtenverhältnis gestaltet werden. Das gilt zum einen für die Vergütung, die möglichst der Beamtenbesoldung folgen sollte. Da während einer Beurlaubung ohne Bezüge in der Regel auch die beamtenrechtliche Beihilfe entfällt und Angestellte eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur für sechs Wochen erhalten, sollten im Anstellungsvertrag auch Beihilfe und Entgeltzahlung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen vorgesehen sein. Damit die Beurlaubungszeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit zählt, wird neben der Beurlaubung aus dienstlichem Interesse oder aus öffentlichen Belangen ein Versorgungszuschlag (in der Regel 30 Prozent der ruhegehaltfähigen Bezüge) an das Land von Seiten der außeruniversitären Forschungseinrichtung gezahlt. Durch einen "großen erweiternden Gewährleistungsbescheid" der Hochschule wird die gemeinsam berufene Person im Anstellungsverhältnis sozialversicherungsfrei. An der Hochschule erhält sie mitgliedschaftliche Rechte und kann so zum Beispiel Promotionen betreuen. Die Lehrverpflichtung ist deutlich reduziert, in den meisten Fällen auf zwei Semesterwochenstunden (SWS).
Nachteilig wird von den Berufenen im "Jülicher Modell" oft die durch die Beurlaubung sehr schwache Anbindung an die Hochschule empfunden. In der Mehrzahl der Fälle wird von der beteiligten Hochschule nur eine minimale Ausstattung zur Verfügung gestellt. Auch die Einbringung von Drittmitteln an die Hochschule und die Einstellung von zugeordneten Mitarbeitern wird von den beteiligten Hochschulen oft abgelehnt. Dies geschieht durchaus begründet, da während einer Vollbeurlaubung die Hauptpflichten aus dem Dienstverhältnis ruhen. Werden trotzdem – außerhalb der Restlehrverpflichtung – weitere Aufgaben wie zum Beispiel die Anleitung von Mitarbeitenden oder Verwaltung von Projektmitteln wahrgenommen, können sich kritische Fragen ergeben, zum Beispiel bei Unfällen oder in Haftungsfällen während dieser Tätigkeiten. Daher lässt sich die Tendenz erkennen, dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen "gemischte Modelle" entwickeln. Ein möglicher Weg besteht darin, statt einer Vollbeurlaubung nur eine Teilbeurlaubung vorzunehmen, zum Beispiel zu 50 Prozent. Damit bleiben die Rechte und Pflichten an der Hochschule zur Hälfte bestehen, die andere Hälfte der Tätigkeit wird wie im "Jülicher Modell" im Rahmen eines Anstellungsvertrags am außeruniversitären Forschungsinstitut ausgeübt. Da die beamtenrechtliche Besoldung – wenn auch reduziert – weiter fließt, bleibt der Anspruch auf Beihilfe gegen den Dienstherrn bestehen. Der Versorgungszuschlag wird nur zur Hälfte auf die ruhegehaltfähigen Bezüge erhoben. Ein Nachteil des "Mischmodells" ist, dass in den meisten Bundesländern die Teilbeurlaubung nicht oder allenfalls rudimentär gesetzlich geregelt ist. Auch ein anderer Vorteil des "Jülicher Modells", dass eine solche Professur keine Planstelle im Stellenplan erfordert, sondern als "Leerstelle" gilt, ist bei einer Teilbeurlaubung nicht mehr gegeben.
Berliner Modell
Das zweite Modell einer gemeinsamen Berufung, das "Berliner Modell", sieht vor, dass die Professorin oder der Professor in ein Beamtenverhältnis an die Hochschule berufen werden. Im Rahmen des Beamtenverhältnisses weist der Dienstherr dann die Berufene oder den Berufenen der außeruniversitären Forschungseinrichtung zur Erbringung der Leitungstätigkeit und Forschung zu. Die Besoldung erfolgt durch die Hochschule beziehungsweise das Land, die außeruniversitäre Einrichtung erstattet die Besoldung, etwaige weitere Kosten und zahlt den Versorgungszuschlag. Aus diesem Grund wird das Modell auch "Erstattungsmodell" genannt. Die Lehrverpflichtung an der Universität beträgt in der Regel zwei bis vier SWS. Probleme bereiten im "Berliner Modell" aktuell steuerrechtliche Fragen. Die Zuweisung des Professors bzw. der Professorin an das außeruniversitäre Forschungsinstitut wird von den Steuerbehörden inzwischen weitgehend als umsatzsteuerpflichtiger Vorgang erachtet, was das Modell für das beteiligte Forschungsinstitut deutlich verteuert. Aus diesem Grund wird das "Berliner Modell" eher seltener als zuvor angewendet.
Karlsruher Modell
Bei gemeinsamen Berufungen, aber auch in anderen Konstellationen mit Beteiligung der Fraunhofer-Institute, ist häufig das "Karlsruher Modell" oder "Nebentätigkeitsmodell" zu finden. Das Modell sieht eine reguläre Berufung an die Hochschule – in der Regel im Beamtenverhältnis, es sei denn, es ist ein Anstellungsverhältnis vorgesehen, falls die Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht gegeben sind – und die Ausübung der Leitungsfunktion am außeruniversitären Forschungsinstitut in Nebentätigkeit vor. Die Konstruktion über eine Nebentätigkeit hat den Vorteil, dass zum Beispiel Aktivitäten wie die Drittmitteleinwerbung an der Universität uneingeschränkt fortgeführt werden können. Allerdings wird auch die Lehre häufig nur geringfügig reduziert. Ein Vorteil des "Karlsruher Modells" ist auch, dass der Nebentätigkeitsvertrag recht flexibel gestaltbar ist, zum Beispiel ist die Gewährung von Boni für Institutsziele möglich. Allerdings liegt in der Nebentätigkeitskonstruktion auch das größte Dilemma des "Karlsruher Modells": Die Leitung eines größeren außeruniversitären Forschungsinstituts sprengt in der Praxis die üblichen Grenzen einer Nebentätigkeit von einem Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit deutlich. Ausnahmen hiervon sind zwar unter bestimmten Umständen möglich. Jedoch geht mit der Kombination einer nur geringfügig reduzierten Haupttätigkeit an der Hochschule und einer großen Leitungsaufgabe in Nebentätigkeit häufig eine hohe persönliche Arbeitsbelastung einher. Das "Karlsruher Modell" ist daher eher für einen kleineren außeruniversitären Aufgabenbereich wie eine Gruppenleitung geeignet als für die Leitung eines großen Forschungsinstituts mit vielen Mitarbeitenden.
Thüringer Modell
Ambivalent zu beurteilen ist das interessanter werdende "Thüringer Modell", für das es inzwischen auch in anderen Bundesländern als Thüringen (zum Beispiel in Brandenburg) eine Rechtsgrundlage gibt. Hier wird keine arbeits- oder beamtenrechtliche Anbindung zur Hochschule geschaffen, sondern die Rufinhaberin oder der Rufinhaber allein in eine mitgliedschaftsrechtliche Stellung zur Hochschule berufen. Die Anbindung ist daher rein hochschulrechtlicher Art. Ein Anstellungsverhältnis wird mit dem an der Berufung beteiligten außeruniversitären Forschungsinstitut begründet. Folge ist unter anderem die Möglichkeit der Führung des Professorentitels sowie die Betreuung von Promotionen. Der Nachteil des "Thüringer Modells" ist, dass es für Personen, die bereits auf einer Professur im Beamtenverhältnis tätig sind, oft nicht attraktiv ist, weil die meisten außeruniversitären Forschungsinstitute keine Verbeamtung möglich machen können. Das "Thüringer Modell" wird daher häufig verwendet, um Personen zu berufen, die bereits im Angestelltenverhältnis an einem außeruniversitären Forschungsinstitut tätig sind.