Illustration von Mangement-Strukturen: Person steht auf einer Fläche von Zahnrädern
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Wintersemester 2022/23
Wie Hochschulen in Krisenzeiten resilient bleiben

Wie können Hochschulen und Studierende gestärkt aus dem kommenden Krisensemester herauskommen? Ein Appell der Prorektorin für Lehre der Uni Köln.

Von Beatrix Busse 11.10.2022

Das Wintersemester 2022/23 steht vor der Tür und mit ihm ein Semester, in dem wir die Innovationen der vergangenen Semester, die Transformation hin zu einer Universität für die Zukunft, fortsetzen werden müssen. Universitäten und Hochschulen haben während der vier sogenannten Digitalsemester viel gelernt. Bei den angestoßenen Entwicklungen geht es nicht nur um den viel diskutierten Bereich des Lernens und Lehrens oder um die bisher noch kaum abschätzbare Weiterentwicklung in der Art, wie wir forschen und Wissenschaft betreiben. Zentral sind auch Veränderungen in den Hochschulen als Organisation. Hierbei denke ich nicht nur daran, dass es uns gelungen ist, den gesamten Hochschulbetrieb in kürzester Zeit zu digitalisieren, sondern vor allem auch an eine neue Kultur und neue Formen und Formate der Zusammenarbeit, zum Beispiel die von mir beschriebene Arena, die sich während der Krisenjahre entwickelt haben.

Die Corona-Pandemie war eine Bewährungsprobe für die vom Wissenschaftsrat 2021 beschriebene wissenschaftsbasierte Resilienz der Universität. Dennoch sind wir vor allem dank einer agilen und flexiblen Arbeitsweise aus der Pandemie gestärkt hervorgegangen. Diese Entwicklung versetzt Hochschulen in die Lage, souverän auch mit neuen Krisen, wie beispielsweise der nun bevorstehenden Energieversorgungskrise, umzugehen.

Als der Beginn der pandemiebedingten Lockdowns vor zweieinhalb Jahren Hochschulen eine schnelle Reaktion auf unbekanntem Terrain abverlangte, gelang es der Universität zu Köln, neue Formate und agile Organisationsstrukturen zu etablieren. Unter Einbezug aller Akteurinnen und Akteure, Statusgruppen und Bereiche haben wir so ko-kreativ Lösungsstrategien entwickelt und Maßnahmen erarbeitet, die auf umfassender Expertise gründeten und von allen getragen wurden. Zusätzlich setzen wir auf eine transparente und dialogorientierte Kommunikation, um alle Beteiligten in diesen herausfordernden Zeiten vor Ungewissheit und Überforderung zu schützen und ihnen soweit möglich Perspektiven zu bieten.

Im Kern geht es darum, die Menschen innerhalb der Institution "Universität" und ihr Well-Being in den Fokus zu stellen. Als Teil der European University for Well-Being ist in den strategischen Leitlinien der Universität verankert, das Well-Being zu mehren und zu fördern. Dies gelingt uns vor allem durch eine kontinuierliche Kommunikation mit Vertreterinnen und Vertretern aller Gruppen an Hochschulangehörigen. So werden wir frühzeitig auf Handlungsbedarfe aufmerksam gemacht und können unsererseits Angebote unterbreiten, wie beispielsweise ein umfassendes betriebliches und studentisches Gesundheitsmanagement, sportliche Angebote und Vernetzungsmöglichkeiten oder auch psychotherapeutische Unterstützungen.

Energiespar-Maßnahmen für das Wintersemester

Ganz in diesem Sinne ist es der Universität zu Köln wichtig, den Präsenzbetrieb im kommenden Semester, insbesondere den Lehr-Lernbetrieb auf dem Campus, sicherzustellen und trotz möglicherweise erforderlicher Maßnahmen so wenig wie möglich einzuschränken. Die Lockdown-Jahre haben uns deutlich vor Augen geführt, dass studieren weit mehr ist als das Absolvieren von Lehr-Lernveranstaltungen, und dass das Campusleben ein wichtiger Teil der Studienzeit ist. Dennoch arbeitet die Universität parallel daran, die Rahmenbedingungen für digitale Lehre, beispielsweise mit Blick auf Deputatsfragen und Leitlinien, zu verbessern.

In einer auf dem Modell des Corona-Krisenstabs aufbauenden weiteren Arbeitsgemeinschaft Energie hat die Universität zu Köln ein umfangreiches, alle Bereiche umfassendes und evidenzbasiertes Energiespar-Konzept entwickelt, welches die Last nicht auf Studierende überträgt und daher die Umstellung auf digitale Lehre, wenn überhaupt, nur als letzte Maßnahme in Betracht zieht. Durch die darin geschilderten Maßnahmen möchten wir den Energieverbrauch deutlich, idealerweise unter die vom Land geforderten 20 Prozent Einsparung, senken. Konkret werden wir beispielsweise die Heizperiode anpassen, die Heiztemperatur senken und Warmwasser nur noch dort zur Verfügung stellen, wo es erforderlich ist. Die Sensibilisierung für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Appell an die Eigeninitiative einer und eines jeden Einzelnen bilden das Fundament für ein solidarisches Miteinander in einem möglicherweise hürdenreichen Winter.

Inmitten des akuten Krisenmanagements befinden wir uns in der sich stetig entwickelnden, zukunftsorientierten strategischen Planung im Bereich Studium und Lehre, die auch den Weg zur Systemakkreditierung beinhaltet. Die Corona-Pandemie stellte in diesem Kontext einen Katalysator für bereits angestoßene Prozesse in Richtung einer innovativen, zukunftsgerichteten und holistischen Hochschulbildung dar. Mit der Veröffentlichung von einschlägigen Handreichungen, der Konzeption von Workshops sowie der Ausstattung der Räume mit neuer Medientechnik im Zuge einer AV-Medienstrategie werden beispielsweise die Möglichkeiten der hybriden Lehre und weiterer innovativer Lehr-Lern-Methoden zunehmend gestärkt und ermöglicht. Digitale und digital gestützte Lehr-Lern-Formate – wie zum Beispiel Flipped Classroom-Szenarien – sind entsprechend unseres holistischen Konzepts zur Digitalen Bildung bereits jetzt fest etabliert. So schöpfen wir die Vorteile beider Modi – Präsenz und Online – bestmöglich aus. Dennoch sei angemerkt, dass Faktoren wie gestörte Lieferketten, der Denkmalschutz und die schiere Größe der Universität echte Hürden darstellen.

"Von Krisen nicht ausbremsen lassen"

Natürlich sind die aufeinanderfolgenden Krisen für die Hochschulen und für all ihre Akteurinnen und Akteure unbestreitbar eine Herausforderung. Vor allem Studierende haben unter den vier Digitalsemestern, in denen sie kein Campusleben erfahren konnten, in denen sie deutlich weniger Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch hatten und in denen viele die Universität lange zunächst nur aus Videokonferenzen kennenlernen konnten, gelitten. Viele klagten, ebenso wie Lehrende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über Überlastung und zu hohen Workload.

Auch diese Tribute, die wir zahlen mussten, sind eine Verpflichtung, die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den vergangenen Semestern jetzt aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Mir ist es und war es immer wichtig, dass wir uns nicht von Krisen ausbremsen lassen, sondern dass wir stattdessen den Blick auch auf die Innovation und Weiterentwicklung der Universität in allen Leistungsbereichen richten.

Als Universität sehen wir uns in der Verantwortung, zielgerichtet zu planen und zu handeln, im Gespräch zu bleiben und uns auf die Chancen und Fortschritte zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf neue Möglichkeiten der hybriden Lehre beziehungsweise des hybriden miteinander Arbeitens. Krisenzeiten sind somit auch immer Zeiten des Lernens, deren ganz eigene Dynamik auch in die Bahn des progressiven Um- und Weiterdenkens geleitet werden kann. Sie sind auch Zeiten der Reflexion und des Austauschs. So werden wir an der Universität zu Köln nächstes Jahr zum ersten Mal den Tag des Lernens und der Lehre ausrichten, in dessen Rahmen wir miteinander ins Gespräch kommen wollen und unter Einbezug möglichst vieler Perspektiven unsere gemachten Erfahrungen reflektieren und ko-kreativ Impulse für die Zukunft des Lernens und Lehrens setzen wollen.

Krisen als Chance zur Veränderung

Wir sind optimistisch, dass wir unsere tagtägliche wissenschaftliche und wissenschaftsunterstützende Arbeit fortsetzen und qualitativ sowie kontinuierlich weiterentwickeln können. Das ist notwendig, denn die Aufgaben, die die Zukunft an uns stellt, warten nicht – in Zeiten der Krise werden sie nur wie im Brennglas deutlich. Zögern wir nicht, sondern schreiten wir mutig voran. Es kann für die Resilienz der Hochschule nur förderlich sein.

Abschließend möchte ich nicht nur Studierenden, sondern auch Lehrenden und allen anderen Akteurinnen und Akteuren raten, ihre Neugierde, Leidenschaft und Offenheit nicht den Krisen unterzustellen. Wir befinden uns zwar in einer herausfordernden Zeit, die als Zäsur aber auch als Chance zur Veränderung verstanden werden kann. Dies erfordert viel Vertrauen und vor allem auch Mut. Nutzen Sie die Angebote, die Ihnen die Möglichkeit bieten, sich sowohl online oder hybrid als auch in Präsenz auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen! Stellen Sie Fragen und hinterfragen Sie die Dinge! Lassen Sie uns weiterhin miteinander reden, streiten und verhandeln. Insbesondere als Studierende haben Sie die Möglichkeit und gleichzeitig die Verantwortung, Ihr Studium mitzugestalten. Versuchen Sie, trotz aller Beschwernisse Ihre Lockerheit und Leichtigkeit zu bewahren – wir können uns auf unsere Erfahrungen und Errungenschaften verlassen, alle haben schon einen aktiven und guten Beitrag geleistet, auf den wir stolz sein können!

Dieser Text ist unter Mitarbeit von Kathrin Andree, Antonia Deus, Franziska Eickhoff, Ingo Kleiber und Isabelle Wessels entstanden.

Zum Weiterlesen

Busse, B. (2022). Willkommen in der Arena: Formate und Haltung für die strategische Fitness und zur resonanten Ko-Kreation in Universitäten. OrganisationsEntwicklung, 1, 17–25.

Wissenschaftsrat. (2021). Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland: Positionspapier. Wissenschaftsrat.