Finanzierung
Alexander-von-Humboldt-Stiftung fehlen 10 Millionen Euro
Der Alexander-von-Humboldt-Stiftung fehlen dringend benötigte Gelder, um ihr Stipendienprogramm aufrechtzuerhalten. Das gab die Stiftung bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin bekannt.
Präsident Robert Schlögl bezeichnete die Lage als existenzbedrohend. "Wir sind in einer Situation, in der der Fortbestand der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefährdet ist." Der Stiftung fehlten 10 Millionen Euro, um ausreichend finanzierte Stipendien anzubieten. Die Stipendiensätze, die die Stiftung Forschenden aus dem Ausland anbieten würde, lägen inzwischen weit unter dem, was vergleichbare Organisationen im In- und Ausland bieten würden.
"Der Stipendiensatz ist in den letzten zehn Jahren nicht verändert worden", so Schlögl. "Das führt dazu, dass die reale Kaufkraft eines Stipendiaten inzwischen 20 Prozent geringer ist als vor zehn Jahren. Und das soll dann noch die besten Wissenschaftler aus der ganzen Welt anziehen."
Dringende Forderungen an die Politik
Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung wird aufgrund ihres besonderen Auftrags von drei Ministerien finanziert: dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundeministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Auswärtigen Amt.
An alle drei Einrichtungen formulierte der Generalsekretär der Stiftung, Enno Aufderheide, klare Forderungen. Einerseits bittet er um eine zügige Erhöhung der Mittel um 20 Prozent, damit wieder adäquate Sätze für Stipendiatinnen und Stipendiaten gezahlt werden könnten. Außerdem hält die Stiftung es für dringend geboten, die Höhe der Sätze zu dynamisieren.
"Wir halten es für absolut nötig, dass die Sätze dynamisiert werden", erläutert Aufderheide. "Die Sätze könnten sich am Lebenserhaltungskostenindex orientieren oder am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Das bestehende System, in dem wir um Budgeterhöhung bitten und jede Entscheidung fünf Jahre dauert, ist nicht mehr tragbar."
Alexander-von-Humboldt-Stiftung muss 100 Stipendien streichen
Selbst mit einer Steigerung der Mittel um 20 Prozent müsste die Stiftung bereits Stipendien streichen, gibt Schlögl zu bedenken. Das sei ein bedeutender Nachteil für den Wissenschaftsstandort Deutschland. "Es muss klar sein, dass wir einen Einschnitt in unser Stipendienprogramm machen, und die Stipendiaten, die wir nicht bekommen, gehen woanders hin, möglicherweise auch zu unseren Systemwettbewerbern, das muss man ganz klar so sagen."
Streichungen sieht die Stiftung aktuell außerdem im Bundeskanzler-Stipendium vor, das ganz wegfallen müsse. Darin werden seit dreißig Jahren rund 50 Stipendiatinnen und Stipendiaten im Jahr in Deutschland aufgenommen, die danach in ihre Herkunftsländer zurückkehren, um dort in der Politik aktiv zu werden.
Auch das Netzwerk der Alexander-von-Humboldt-Stiftung schwebe in Gefahr, erläutert Schlögl. Es beinhaltet über 30.000 Forschende weltweit, darunter 61 Nobelpreisträgerinnen und -träger. "Das tut noch mehr weh", so Schlögl, denn das Netzwerk sei weltweit geschätzt und habe eine immense Reputation. "Wir haben Netzwerkausleger in 140 Ländern dieser Welt. Wenn sie das am Leben erhalten wollen, müssen Sie eine gewisse Anzahl von Stipendien vergeben. Wenn wir da 100 Stipendien entfernen, wird das Netzwerk zusammenbrechen. Das ist ein irreversibler Schaden für ein exzellentes Vertrauensnetzwerk, das wir über 70 Jahre aufgebaut haben."
Chancengleichheit wird leiden
Schlögl und Aufderheide weisen auf ein weiteres Problem hin: Unter einer Kürzung der Gesamtstipendien – die Stiftung vergibt zurzeit pro Jahr ungefähr 700 bis 800 – würde die Chancengerechtigkeit leiden.
"Wenn Mittel schrumpfen, werden die Auswahlkriterien strenger ausgelegt", erläutert Schlögl das Problem. "Der Anteil von Stipendiaten aus nicht-westlichen Ländern und nicht-männlichen Geschlechts wird abnehmen." Denn für diejenigen Bewerberinnen und Bewerber, die großes Potenzial zeigten, aber dieses aufgrund mangelnder Chancengleichheit noch nicht voll realisieren konnten, werde in Zukunft bei sinkender Stipendienzahl kein Platz mehr in der Stiftung sein. Auf Nachfrage von Forschung & Lehre erläuterte Schlögl, das Verhältnis weiblicher zu männlicher Bewerberinnen liege bei 30 zu 70. Dasselbe Verhältnis liege auch bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten vor. Damit zeigten sich Schlögl und Aufderheide zufrieden, obwohl es von einer Geschlechterparität noch weit entfernt ist. Dieses Verhältnis werde sich durch die Kürzungen drastisch verschlechtern.
Schlögl appelliert an potenzielle Geldgeber, rasch tätig zu werden. Wenn jemand 10 Millionen Euro zur Verfügung stellen würde, auch erst ab dem Jahr 2025, könne man den Engpass überbrücken, "ohne Sachen ganz absterben zu lassen." Die Zusage darüber müsste aber jetzt kommen. Denn die Stiftung sei im Begriff, irreversible Schritte zu ergreifen, die ihre Existenz bedrohen.
cle