Ein großes, historisches Gebäude mit Türmen.
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Internationalisierung
Britische Unis warnen vor Visa-Einschränkungen

Laut einiger britischer Universitäts-Vereinigungen gefährdet die Migrationspolitik den Wissenschaftsstandort. Wirtschaftlicher Schaden drohe.

13.05.2024

Der britische Innenminister James Cleverly will die Zuwanderung beschränken und hat dabei auch die Hochschulen im Blick. In einem Brief an das Beratungsgremium Migration Advisory Committee (MAC) forderte er, eine Streichung der "graduate visa route" zu prüfen. An 14. Mai will das MAC seinen Bericht vorstellen. Auf dieser Grundlage will das Kabinett dann über eine Abschaffung entscheiden. 

Das diskutierte Programm erlaubt ausländischen Studierenden, bis zu zwei – und im Falle von Promovierenden bis zu drei – Jahre nach ihrem Studienabschluss in Großbritannien zu leben und zu arbeiten. Kritiker sind der Ansicht, dass Migrantinnen und Migranten die Regelung missbrauchen, um als Fachkräfte langfristig im Land zu bleiben. 

Dem widersprechen Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler Jonathan Portes vom King's College London. "Die Tatsache, dass sie sich freiwillig dafür entscheiden, zunächst einen Abschluss zu machen (und dafür zu bezahlen), lässt darauf schließen, dass sie den Abschluss an sich als lohnenswert erachten", betonte Portes. Zwar würden viele zur Finanzierung ihres Studiums in gering bezahlten Jobs arbeiten. Die überwiegende Mehrheit werde seiner Einschätzung nach aber einen positiven wirtschaftlichen und steuerlichen Beitrag leisten, "genau wie junge Arbeitnehmer britischer Herkunft". 

Beschränkung der Migration: Gesellschaftlicher Schaden befürchtet

Oxford ganz oben, Cambridge nicht weit dahinter – und auch weitere britische Hochschulen wie King's College oder die SOAS University aus London fehlen in kaum einer Liste der weltbesten Universitäten. Vereinigungen wie die Russell Group, in der die 24 besten Forschungseinrichtungen des Landes versammelt sind, oder der Verband Universities UK fürchten um dieses internationale Renommee und kritisieren die Migrationspolitik der konservativen britischen Regierung. 

Ein solcher Schritt würde einen schweren finanziellen Schaden bedeuten, zitierte die Zeitung "Financial Times" am Samstag aus einem Brief des Chefs der Russell Group, Tim Bradshaw, an den MAC-Vorsitzenden Brian Bell. Eine Studie von London Economics zeige, dass die Universitäten der Russell Group umgerechnet fast 44 Milliarden Euro zur britischen Wirtschaft beitragen. 

"Alle weiteren Änderungen, um die Zuwanderung von Studierenden zu beschränken, könnten zu einer erheblichen Destabilisierung der Branche führen sowie zu geringeren Ausgaben in den lokalen Gemeinden, weniger Möglichkeiten für inländische Studierende und weniger britischer Forschung", heißt es im Brief des Chefs der Russell Group weiter. 

Ähnlich äußert sich Universities UK. "Graduiertenvisa sind für Arbeitsplätze und Wachstum im Vereinigten Königreich sowie globale Ambitionen von entscheidender Bedeutung", warnte der Verband. Verbandschefin Sally Mapstone sagte dem Sender Sky News am Sonntag, es wäre eine "Tragödie und katastrophal" für das gesamte Vereinigte Königreich, falls die Regierung "völlig unnötige Maßnahmen" ergreife, um die Zahl der internationalen Studierenden zu begrenzen. 

Darüber hinaus gibt es laut "Times Higher Education" einen offenen Brief an die Regierung, koordiniert von der University Alliance Group, welcher ebenfalls von der Russell Group und Universities UK gezeichnet wurde. Darin wird explizit davor gewarnt, dass laut von IDP Connect erhobener Daten rund 45 Prozent der internationalen Studierenden anderswo studieren würden, falls die Graduiertenvisa wegfielen. 

Harter internationaler Wettbewerb um Studierende 

Die Regierung spricht oft von britischer "soft power", wenn sie den Forschungssektor lobt. Aber dieser Aspekt ist nach Ansicht der Hochschulen wegen der verschärften Zuwanderungsregeln gefährdet. 

Schon seit dem Brexit ist die Zahl der Studierenden aus der EU um rund die Hälfte gesunken. Sie benötigen nun teure Visa, außerdem sind Studiengebühren für sie nicht mehr gedeckelt. Doch auch aus anderen Ländern schreiben sich deutlich weniger Menschen an britischen Universitäten ein, wie Erhebungen zeigen. 

Das britische Kulturinstitut warnte, die britischen Universitäten seien mit langsameren Wachstumsraten und einem zunehmenden Wettbewerb um internationale Studierende konfrontiert. Vor allem die USA verzeichneten wieder deutlich steigende Bewerbungszahlen. Zudem mache das starke britische Pfund das Vereinigte Königreich unattraktiver für Studierende aus wichtigen Märkten wie Nigeria, China oder Indien. 

Konservative Regierung will Zuwanderung reduzieren 

Zuletzt lag die Nettozuwanderung auf einem Rekordhoch von gut 600.000 Menschen. Diesen Trend wollen die Tories von Premierminister Rishi Sunak umkehren. Auch weil es die Bevölkerung so wolle. Das scharfe Vorgehen gegen Migrantinnen und Migranten soll ihnen Punkte bringen bei den Wählern. Noch in diesem Jahr soll ein neues Parlament gewählt werden. In Umfragen liegen die Konservativen bis zu 30 Prozentpunkte hinter der Oppositionspartei Labour. 

Um die Migration zu begrenzen wurde bereits das jährliche Mindestgehalt für ausländische Beschäftigte stark erhöht, Pflege- und Gesundheitsfachkräfte dürfen ihre Angehörigen nicht mehr mitbringen. Wirtschaft und Verbände warnen vor einschneidenden Folgen für den britischen Arbeitsmarkt.

dpa/cva