Wissenschaftszeitvertragsgesetz
DHV skizziert Reform des WissZeitVG
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat sich gegen eine ersatzlose Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ausgesprochen. Es müsse vielmehr überarbeitet werden und eine Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit innerhalb des Wissenschaftssystems generieren, erklärte der DHV in einem Eckpunktepapier anlässlich des am Montag begonnen Stakeholderprozesses zu einer weiteren Reform des Gesetzes, das Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches Personal regelt. Demnach müsse das Interesse junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach mehr beruflicher Sicherheit und Planbarkeit besser mit dem Interesse des Wissenschaftssystems nach steter inhaltlicher und personeller Erneuerung in Ausgleich gebracht werden.
Warnungen vor Verstopfung der Karrierewege durch Dauerstellen seien berechtigt, so der Hochschulverband. Zukunftsperspektiven für nachfolgende Generationen könnten in der Wissenschaft generell nur erhalten bleiben, wenn hinreichend Fluktuation und Flexibilität bestünden. Dazu bedürfe es eines spezifischen Befristungsrechts für das Wissenschaftssystem.
DHV will Stellen nach Aufgaben trennen
Konkret sprach sich der DHV dafür aus, die Postdoc-Phase zu reformieren und alternative Berufswege nach einer Postdoc-Phase zu schaffen. Für Postdoktoranden, die wissenschaftliche Dienstleistungen und Daueraufgaben übernehmen, müsse es Dauerstellen geben. Die Personalstruktur der Länder müsse dabei allerdings zwischen wissenschaftlicher Dienstleistung und Eigenqualifikation unterscheiden und Stellen mit Qualifikationsziel auch befristen dürfen.
Promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen nach Vorschlag des DHV eine auf maximal drei Jahre befristete Postdoc-Phase durchlaufen. Nach dieser "Erprobungs- und Förderungsphase" sollten sie sich verbindlich festlegen können, welchen weiteren akademischen Weg sie einschlagen.
Wer eine Lebenszeitprofessur anstrebe, soll laut DHV diese auch über eine Assistenzprofessur erreichen können – mit und ohne Tenure Track. Je nach Fach sollen zudem bis zu 25 Prozent der Professuren als Tenure Track gestaltet werden, die nach einer positiven Evaluierung in eine Lebenszeitprofessur münden.
Auch Beschäftigte, deren befristete Stellen über Drittmittel finanziert werden, sollen mehr Sicherheit erhalten – durch angepasste Vertragslaufzeiten und zusätzliche Überbrückungsbefristungen zwischen zwei Drittmittelprojekten oder durch Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Junge Akademie fordert neue Personalkategorien
Auch Mitglieder der Jungen Akademie haben in einer Stellungnahme von Freitag Nachbesserungen am WissZeitVG gefordert. Um Karrieren in der Wissenschaft planbarer zu gestalten, insbesondere für junge Forschende, brauche es Mindestvertragslaufzeiten für ausgewiesene Karrierestufen, klare Perspektiven über Tenure-Track-Verfahren sowie Dauerstellen neben der Professur.
Zudem solle der Begriff des sogenannten "wissenschaftlichen Nachwuchses" durch die Profile R1 bis R4 ersetzt werden, die die Europäische Kommission definiert hat, um unterschiedliche Aufgaben und Verantwortungsbereiche in der Wissenschaft kenntlich zu machen. Die Einführung der R-Profile sei eine Chance für mehr Vergleichbarkeit, Transparenz und passgenauere Lösungen. Dabei solle auch für das WissZeitVG neu definiert werden, was als "Qualifikationsphase" gilt. Laut Gesetz sind dies alle Stufen unterhalb der Professur, die Junge Akademie sieht hingegen nur Promovierende in dieser Phase, während sich Postdoktoranden in einer Orientierungsphase befänden.
"Auf allen Karrierewegen und Stufen in der Wissenschaft sind nachvollziehbare, transparente und verlässliche Leistungskriterien – gekoppelt an eine strukturell verankerte, verantwortliche Personalentwicklung – für eine gelungene Bestenauslese essenziell", erklärte der Sprecher der Jungen Akademie, Timo de Wolff.
Bund erarbeitet Reform des WissZeitVG
Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) diskutiert am Montag bei der Veranstaltung "Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft – Auf dem Weg zu einer Reform des WissZeitVG" über die Evaluation des Gesetzes und daraus resultierende mögliche Reformen. Die Evaluation hatte im Mai gezeigt, dass die letzte Novelle des WissZeitVG 2016 nur geringfügige Verbesserungen für die Karriereplanungen junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervorgebracht hatte.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger räumte am Montag in Berlin ein, dass es in der Wissenschaft noch zu viele befristete Verträge ohne verlässliche Anschlussperspektive gebe und mahnte Besserung an. Insbesondere bei den Postdoktoranden müsse sich etwas ändern. "Wir müssen über frühere Entscheidungen in der Phase, ob es dauerhaft in der Wissenschaft weitergeht oder nicht, sprechen und Lösungen finden", sagte die Ministerin. An sich seien Befristungen jedoch sinnvoll für eine "Rotation" des Personals.
Kurze Zeitverträge sind weiterhin die Regel, belegt auch eine aktuelle Erhebung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zu Beschäftigungsbedingungen von Promovierenden. In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu verbessern.
aktualisiert am 27.06.2022 um 14.34 Uhr, zuerst veröffentlicht um 12.06 Uhr
ckr/dpa
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