Die Gesichter mehrerer befragter Wissenschaftler und die Europäische Flagge
Forschung & Lehre

Europawahlen
Was Europa für mich bedeutet

Die Europawahlen spiegeln die Meinung der EU-Bürger zur künftigen Gestaltung der EU. Was ist Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wichtig?

Von Katrin Schmermund 25.05.2019

Gemeinsame Forschungsprojekte, Auslandsaufenthalte, arbeiten in einem internationalen Team: Die Berührungspunkte mit der Europäischen Union in der Wissenschaft können vielfältig sein.

Mal überwiegt die Freude: der Antrag ist nach wochenlanger Arbeit durchgekommen, eine Stelle im Ausland bewilligt. Mal überwiegt der Frust: das eigene Fach scheint in der Förderung zu kurz zu kommen, die Bürokratie bei der Antragstellung nimmt kein Ende.

Auch was es heißt, wenn die europäischen Werte und der Zusammenhalt grundsätzlich wackeln, merken Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; etwa, wenn plötzlich unsicher ist, ob der britische Kooperationspartner für das große "Horizon"-Projekt trotz geplantem Brexit weiter die Koordination übernehmen kann. Oder, wenn Kollegen in Ungarn das Land wechseln müssen, weil sie nicht mehr frei forschen können. Wir wollten wissen, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Europa in erster Linie verbinden.

Kulturelle Perspektiven verstehen

Die EU-Förderung und die damit verbundene grenzübergreifende Zusammenarbeit stehen für die meisten Befragten im Vordergrund, wenn sie an Europa denken. Die verschiedenen Perspektiven der europäischen Forscher ermöglichten, besser in der Forschung voranzukommen und bereicherten die Arbeit – auch, wenn es teils anstrengend sei, ein gemeinsames "understanding" zu finden, wie eine Wissenschaftlerin schreibt.

Durch Meetings mit Projektpartnern lerne man Orte kennen, die man sonst vielleicht nie besucht hätte, schreibt ein Forscher. Einzelne der Befragten haben auch bereits die Möglichkeit genutzt, in anderen EU-Staaten zu arbeiten.

"Europa bedeutet für mich..."

"Überbordende Bürokratie" und zu wenig Geld

Über die Strukturen und Abläufe in der EU lässt sich lange diskutieren. Auch die befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen Nachbesserungsbedarf. Thomas Etzemüller von der Universität Oldenburg ist zum Beispiel der Meinung, dass die EU sich stärker für die Verteidigung von Rechtsstaatlicheit, Meinungsfreiheit und Respekt vor der Wissenschaft starkmachen sollte – auch innerhalb der Union. Der Professor für Kulturgeschichte der Moderne kritisiert: Es müssten von der EU "ausschließlich anregende Inhalte statt indexbasierter Tonnenideologie – verpackt als 'Exzellenz'–", gefördert werden.

Anne Waldschmidt plädiert für eine stärkere Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften. Darüber hinaus vermisst die Professorin für Soziologie und Politik der Rehabilitation an der Universität zu Köln höhere Investitionen in die Grundlagenforschung. Für EU-Projekte wünscht sich Waldschmidt, dass Kosten für die Übersetzung in andere Sprachen mit beantragt werden können. Auch hält sie den bürokratischen Aufwand in der Antragstellung für zu groß.

Die EU könnte sich noch besser für die Vernetzung von Forschung einsetzen, findet Physiker Dr. Andreas Schäfer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er unterstützt Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse frei verfügbar sind. Auch die EU sollte sich klar dazu positionieren. Es werde "leider immer noch zu oft vernachlässigt", Forschungsergebnisse transparent zu machen.

Als regelmäßiger Teilnehmer bei Science Slams und aktiver Poster in sozialen Netzwerken plädiert er dafür, dass die EU auch in der Wissenschaftskommunikation eine Schlüsselrolle einnehmen sollte, "die Forschung 'aus dem Labor ins Wohnzimmer zu bringen', den Menschen die Angst vor dem Fortschritt zu nehmen und Mut auf die Zukunft zu machen".

Auch Sie forschen und lehren in der EU?

Was verbinden Sie als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler mit Europa? Was unterstützen Sie? Was muss sich mit Blick auf die Wissenschaft ändern?

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