Gezeichnetes Portraitbild von Professor Martin Stratmann
Studio Nippoldt

Graduiertenschulen
Max Planck Schools ziehen positive Zwischenbilanz

Die Promotionsstellen an den Max Planck Schools sind begehrt. Worin liegt der Erfolg und wo ist Luft nach oben? Ein Gespräch mit dem MPG-Präsidenten.

Von Claudia Krapp 24.06.2021

Forschung & Lehre: Herr Professor Stratmann, die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) hat 2017 drei Max Planck Schools (MPS) als Graduiertenschulen eingerichtet, 2019 startete der erste Jahrgang an Studierenden und Promovierenden. Als Partnerinstitutionen sind daran bundesweit inzwischen über 30 Außeruniversitäre und 23 Universitäten beteiligt. Wonach haben Sie Ihre Partner ausgewählt?

Martin Stratmann: Bei unserer qualitativen Auswahl sind wir von der Kompetenz der Fellows ausgegangen, nicht von der Kompetenz der Forschungseinrichtungen, an denen diese tätig sind. Wir wollten einen Club der besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Deutschlands kreieren und sind dabei nach dem Max-Planck-Prinzip personenbezogen vorgegangen, die Partnereinrichtungen kamen so indirekt zusammen. Die Schools, die man sich als virtuelle Fakultät vorstellen kann, vereinen nun die besten Professorinnen und Professoren eines Fachgebietes an je einer der drei Schools für Kognitionswissenschaften, Photonik beziehungsweise "Matter to Life". Die Fellows können sich zwar inzwischen auch selbst bewerben, müssen aber durch den Lenkungsausschuss der Max Planck Schools bestätigt werden. Dieser Lenkungsausschuss besteht aus Vertreterinnen und Vertretern prominenter Forschungseinrichtungen. Das verfügbare Budget wurde so verteilt, dass jeder Fellow mindestens einen Doktoranden oder eine Doktorandin betreuen kann. Das begrenzt die Zahl natürlich.

Durch diesen Auswahlprozess ergab sich zusätzlich eine gewisse Clusterung an Fellows an einzelnen Universitäten und außeruniversitären Instituten, die in den Fachbereichen der Schools stark sind. Viele Fellows kommen beispielsweise von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der TU München oder den Universitäten in Leipzig und Heidelberg. Diese und weitere Hochschulen fungieren innerhalb der MPS nun als Ankeruniversitäten und stemmen als Hort der Ausbildung im Wesentlichen die Lehre, damit diese statt auf Dutzende auf einige ausgewählte Hochschulen konzentriert ist.

F&L: Ihr erklärtes Ziel ist es, mit den Schools die Spitzenforschung und Eliten zu fördern, indem sie vorhandene Kompetenzen bündeln, so dass die Schools international wettbewerbsfähig mit den fachlich entsprechenden Fakultäten und Graduiertenschulen in Oxford, Harvard und Co sind. Wie nah sind Sie diesem Ziel zum Zeitpunkt der ersten Zwischenevaluation in diesem Frühjahr gekommen?

Martin Stratmann: Das ist natürlich ein hoch gestecktes Ziel und nicht in so wenigen Jahren erreichbar. Die Mehrheit der Studierenden steckt noch in der Masterphase oder hat die anschließende Promotionsphase gerade erst begonnen, einen Abschlussjahrgang dieses fünfjährigen Tracks gibt es noch nicht. Entsprechend lässt sich der Erfolg noch nicht an etwaigen Publikationen der PhDs messen. Die Evaluation hat aber eindeutig gezeigt, dass die MPS eine einzigartige Form der Graduiertenschulen sind. Wir haben die richtigen Fellows ausgewählt, die Elite der deutschen Wissenschaft zusammengebracht und somit die bundesweit verteilte Exzellenz verdichtet. Die Fellows und Studierenden sind hochmotiviert, das zeigen auch die hohen Bewerbungszahlen. Wir sind auf einem sehr guten Weg bei der Qualität der Beteiligten, daher bin ich zuversichtlich, dass wir die Augenhöhe mit Oxford und Co erreichen werden.

"Wir haben die richtigen Fellows ausgewählt, die Elite der deutschen Wissenschaft zusammengebracht und somit die bundesweit verteilte Exzellenz verdichtet." Martin Stratmann

F&L: Im Vorfeld der MPS gab es harsche Kritik, diese würden das Promotionsrecht für die MPG aufweichen bzw. durch die Hintertür erteilen. Liegt das Promotionsrecht weiterhin nur bei den beteiligten Ankeruniversitäten und soll das so bleiben?

Martin Stratmann: Absolut. Um selbst das Promotionsrecht zu erhalten, müsste die MPG zu einer Universität werden. Das streben wir aus regulatorischen Vorgaben und im Sinne der Flexibilität nicht an. Zudem haben wir eine sehr gute Beziehung zu den meisten Universitäten und generell ist das kein Problem mehr, unsere Mitarbeitenden über Kooperationen mit diesen zu promovieren. Max-Planck-Institute (MPI) sind bewusst komplementär in ihrer Struktur zu Universitäten angelegt.

F&L: Länder wie Hessen, NRW, Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt gewähren das Promotionsrecht auch forschungsstarken Fachhochschulen. Wünschen Sie sich für die MPS auch ein eigenes Promotionsrecht mit der Begründung der Forschungsstärke?

Martin Stratmann: Wenn wir in Deutschland ein Promotionsproblem haben, dann weil wir das Recht immer weiter ausdünnen, etwa auf Fachhochschulen, bis es letztlich nichts mehr wert ist. Es gibt aber auch universitäre Fakultäten, die nicht hinreichend forschungsstark sind, um ein Promotionsrecht zu rechtfertigen. Statt uns wegen des grundsätzlichen Rechts zwischen den Organisationen zu bekriegen, müssten wir aber eher qualitative Anforderungen an den Promotionsinhalt stellen. Hier müssten sich alle Organisationen Gedanken zu den geltenden Standards in der Forschung machen, um die Wertigkeit des Doktorgrads zu erhalten. In Kalifornien haben auch nur ausgewählte Eliten das Recht, zu promovieren. Forschungsstärke an sich, wie viele MPI sie haben, reicht im Übrigen für ein Promotionsrecht nicht aus. Meines Erachtens braucht es dafür größere Fakultäten mit einer zusätzlichen strukturellen Forschungsbreite und summierten Forschungsstärke der Angehörigen. Schließlich werden die Doktoranden von mehreren Professoren betreut. Ein kleines MPI erfüllt also die Kriterien für das Promotionsrecht nicht.

F&L: Sie sagten zu Beginn, Sie wollen das eine Prozent der Besten fördern, konkret etwa 80 Studierende und PhDs jährlich. Inzwischen haben sie von 2019 bis 2021 drei Jahrgänge zugelassen, bestehend aus 53, 59 und 78 Graduierenden. Die Nachfrage war mit 441, 479 und 1089 Bewerbungen deutlich höher. Wie erklären Sie sich die sprunghafte Nachfrage?

Martin Stratmann: Die Nachfrage ist sicherlich in der Qualität der Fellows begründet, die hochrenommierte Professorinnen und Professoren sind. Letztlich wollen die Studierenden zu einem Mentor gehen und es wundert mich nicht, dass sie sich die hier vereinte Spitze der deutschen Wissenschaft aussuchen. Das zweite Zugpferd ist wohl unsere thematische Breite des Lehrangebots im Netzwerk. Dadurch ist zum Beispiel auch das Methodenspektrum der Forschungsprojekte größer, die die Studierenden über Lab Rotations kennenlernen. Durch die hervorragende Lehrenden-Studierenden-Relation von fast 2:1 ist die Lehre an den Schools auch individueller. Massenvorlesungen gibt es an MPS gar nicht. Zudem zahlen wir natürlich auch ein ordentliches Stipendium in der Masterphase beziehungsweise bieten Anstellungsverträge in der PhD-Phase. Deutschland ist als Forschungsstandort derzeit auch an sich sehr attraktiv für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland. Die MPS wurden daher wohl auch zur rechten Zeit entwickelt.

F&L: Die Betreuung und die Lehre an den MPS erfolgt in englischer Sprache. Ist Ihnen nicht daran gelegen, dass Ihre Graduierten auch Deutsch lernen?

Martin Stratmann: Die MPS sind für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlich international aufgestellt. Unsere Studierenden kommen aus aller Welt. Die Lehre auf Deutsch zu halten wäre für sie doch sehr abschreckend. Deutschkenntnisse auf einem studierfähigen Niveau vorauszusetzen, halte ich für nicht angemessen. Wie an jedem Max-Planck-Institut bieten wir aber auch an den Max Planck Schools Deutschkurse an, so dass die Graduierten im Laufe des Programms Deutsch lernen können.

F&L: Derzeit werden die Studierenden und Doktoranden von 144 Fellows betreut. Mit welchen Aufgaben im Einzelnen?

Martin Stratmann: Die Fellows sind zugleich Betreuer, Lehrende und Mentoren und in der Regel übernehmen sie auch alle drei Rollen, wobei einige sich stärker um die Lehre, andere intensiver um die Doktorandenbetreuung kümmern. Die Fellows übernehmen die Ausbildung des Nachwuchses neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit. Und Fellows an den Partnereinrichtungen erhalten BMBF-Mittel u.a. zur Anstellung der Promovierenden in der zweiten Phase.

F&L: Wenn die MPS "virtuelle Fakultäten mit Ankerzentren" sind, auf wie viele Orte verteilt sich die Lehre für die Studierenden?

Martin Stratmann: Die Studierenden schreiben sich im vierjährigen Fast Track beziehungsweise im fünfjährigen Direct Track nach dem Bachelorabschluss ein und machen im Rahmen eines Curriculums zunächst einen Masterabschluss. Dabei lernen sie verschiedene Standorte der Ankeruniversitäten und ihre Forschungsschwerpunkte kennen. So sehen sie nicht nur einen Teilausschnitt eines Faches, sondern gewinnen einen breiten, forschungsnahen Überblick. Anschließend können sie sich aus diesem Netzwerk ein Promotionsthema und -programm zusammenstellen.

F&L: Durch die standortübergreifende Lehre müssen sich die Studierenden mehrfach neu einleben. Wie attraktiv ist dieses Modell für die Studierenden?

Martin Stratmann: Die Verteiltheit der Lehre haben wir bei der Planung durchaus auch als Schwäche gesehen. Wir haben es akzeptiert, weil die Forschungseinrichtungen in Deutschland eben nicht wie in Harvard auf einem Campus gebündelt sind. Das standortübergreifende Lernen in Präsenz hat im vergangenen Jahr wegen der Pandemie leider nicht geklappt, jedoch im virtuellen Ersatz sehr gut funktioniert. Die Pandemie hat uns gelehrt, dass die digitale Lehre heute viel weiter ist als wir bei der Planung dachten und dass mit Webinaren, digitalen Austauschprogrammen und Social Media gar nicht so viel physisch rotiert werden muss wie gedacht. Ein intensiver Austausch abseits der Lehrveranstaltungen ist inzwischen möglich geworden. Mittelfristig planen wir auch "dorms" an ausgewählten Ankeruniversitäten zu bauen, also Wohnheime für die Studierenden der MPS, um deren Mobilität zu vereinfachen. Die ersten Pläne laufen hierzu bereits an den Universitäten Göttingen und Heidelberg.

F&L: Masterabsolventen können an einer der Schools auch direkt in die Promotion einsteigen, dann jedoch mit einem Orientierungsjahr aus Lab Rotations. Wie wichtig ist dieser Überblick über verschiedene Labore, bevor man die eigene Dissertation beginnt?

Martin Stratmann: In den Umfragen zur Zwischenevaluation haben die Promovierenden diese Freiheit, sich während des Masters oder im Orientierungsjahr in die Themen einzufinden ohne sich zu früh zu spezialisieren, sehr gelobt. Auf der Kehrseite erzeugt das straffe, aber breite Programm auch Leistungsdruck und Stress. Diese Herausforderung haben einige Studierenden bei den Umfragen auch als negativ empfunden. In diesem Spannungsfeld werden wir weiter auf die Balance achten müssen, die Studierenden bei aller Freiheit nicht zu überfüttern.

F&L: Inwieweit spielt das Netzwerk der Schools eine größere Rolle für die Karriereförderung als die Dissertation selbst?

Martin Stratmann: Da bislang noch kein Jahrgang die School abgeschlossen hat, lässt sich das langfristig noch nicht feststellen und das Netzwerk selbst wächst noch – wir wollen die Zahl der Schools in der nächsten Legislaturperiode verdoppeln, neue Schools könnte ich mir zum Beispiel in den Rechtswissenschaften oder Computerscience vorstellen. In der Zwischenevaluation bewertete das Gutachterteam dieses Netzwerk aber schon jetzt als einmalig. Teil dieser elitären Struktur gewesen zu sein, wird sich den Gutachtern zufolge als Eintrittskarte sehr positiv auf die Karriereplanung der Graduierten auswirken.

F&L: Entwicklungsbedarf sieht das Gutachtergremium mit Blick auf die Diversität und den Frauenanteil. Notwendig sei aktives Recruiting insbesondere weiblicher Studierender und Fellows. Wie wollen Sie mit dieser Kritik umgehen?

Martin Stratmann: Ein höherer Frauenanteil unter den Fellows wäre in der Tat auch mit Blick auf die Vorbildfunktion und Attraktivität für Studentinnen sehr wichtig. Wir müssen und werden wohl noch stärker darauf achten, in der Fülle der Bewerbungen die Frauen nicht zu übersehen. Letztlich müssen wir aber mit dem arbeiten, was an der Basis verfügbar ist. Ich denke eine generelle Geschlechterparität anzustreben, wäre unrealistisch, insbesondere mit Blick auf die Fächer der Schools, in denen es unter den Professuren an Hochschulen meist auch keine Parität gibt. Die Leaky Pipeline ist ein Problem, das die gesamte deutsche Wissenschaft eint. Die Auswahl an den Schools wird weiterhin nach qualitativen Gesichtspunkten gefällt werden, nicht nach einer Quote oder Gendergesichtspunkten. Aber bei der Menge der Bewerbungen mache ich mir keine Sorgen, auch viele qualifizierte Frauen zu finden. Bei den Fellows akquirieren wir ganz bewusst bei jungen Professorinnen und Professoren, wo der Frauenanteil höher ist als bei den Alteingesessenen.

"Die Idee der Schools ist, dass sich die Beteiligten als eine Einheit betrachten." Martin Stratmann

F&L: Nachholbedarf sehen die Gutachter auch bei der aktiven Vernetzung der zahlreichen Partnerorganisationen. Dem stünden im Weg: unterschiedliche Regularien der verschiedenen Förderorganisationen, das föderale System und differenzierte Ländergesetzgebungen, ebenso wie eine befristete Förderphase. Außer der Förderphase können Sie nichts davon ändern. Wie gehen Sie damit um?

Martin Stratmann: Der organisatorische Aufwand, den die MPG für die Schools betreibt, ist aufgrund der fürchterlichen Vielfalt in Deutschland in der Tat enorm und viel höher als zu Beginn gedacht. Die Rahmenbedingungen sind überall anders und erfordern beispielsweise eine Vielzahl an Anstellungsverträgen für die Promovierenden, je nach Partnerorganisation und Bundesland. Wir haben es bislang ganz gut geschafft, damit umzugehen, allerdings mit einem irren Aufwand für eine relativ geringe Zahl an Studierenden. Die Kritik des Gutachterteams ist daher berechtigt und an diesem Brett müssen wir bohren. Die Idee der Schools ist, dass sich die Beteiligten als eine Einheit betrachten und verstehen. Meine Hoffnung liegt darin, dass sie dies zunehmend tun und sich die Vernetzung und Kooperation durch die Beteiligten vertieft und die Landesregierungen die Bedingungen nach und nach verbessern. Man darf nicht vergessen, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der MPS auch zur Elite ihrer Forschungseinrichtungen gehören und dort auch Einfluss haben. Ebenso lernen die beteiligten Leitungen, mich eingeschlossen, aus der komplexen Situation und können ebenfalls politisch agieren. Die MPS sind auch im Interesse der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, weil sie mit deren Hilfe hochkarätige Wissenschaftler gewinnen und halten können. Wenn wir in Deutschland in der Wissenschaft weiterkommen und als Hochschullandschaft international sichtbar und attraktiv sein wollen, dürfen wir es mit der Vielfalt der Systeme daher nicht übertreiben. Diese Kleinkrämerei, die auch durch die innerdeutsche Konkurrenz der Exzellenzstrategie verstärkt wurde, ist kontraproduktiv.