Eine Gruppe von Erwachsenen sitzt in einem hellerleuchteten Klassenraum einer Volkshochschule und wird unterrichtet.
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Internationaler Tag der Bildung
Chancengerechte Bildung für alle weltweit scheint Utopie

Die UNESCO widmet den 24. Januar der internationalen Bildung. Die Bilanz fällt in diesem Jahr düster aus – vor allem für Schulkinder.

23.01.2024

Heute ist Internationaler Tag der Bildung. Ausgerichtet wird er zum sechstem Mal von der UNESCO, die an diesem Tag an das gemeinsame Bildungsziel der Weltgemeinschaft erinnern möchte: Bis zum Jahr 2030 sollen alle Menschen die Chance auf lebenslanges Lernen und eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung haben. Das globale Bildungsagenda 2030 ist Nummer vier der 17 Nachhaltigkeitsziele, auf die sich alle UN-Mitgliedstaaten im September 2015geeinigt haben. Die Umsetzung dieses Vorhaben koordiniert die Kultur- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen, die UNESCO. Sie wertet die Fortschritte aus und veröffentlicht diese jährlich in ihrem Weltbildungsbericht. 

Der aktuelle Schwerpunkt ist Flucht und Migration. Im Bericht werden die zahlreichen und hochwertigen Maßnahmen der Erwachsenbildung in Deutschland gelobt. Insbesondere die Sprachförderung von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund, die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen wird als sehr positiv bewertet. Die rund 900 Volkshochschulen spielten bei der Erwachsenbildung und Weiterbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eine wichtige Rolle. Gerade für Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte bieten die Alphabetisierungs-, Sprach-, und Grundbildungsangebote ein wertvolles Angebot. 

Prekäre Situation an Schulen weltweit, vor allem für Geflüchtete 

Es gibt aber auch Verbesserungspotential im deutschen Bildungssystem, so der UNESCO-Bericht. Chancengleichheit, darauf weist die UN-Organisation hin, ist nur durch Chancengleichheit in der Bildung und gemeinsames Lernen zu erreichen. Dafür seien zahlreiche qualifizierte Fachkräfte notwendig, welche derzeit aber noch fehlen. Obwohl der Bedarf deutlich steigt. So sollen in Deutschland alle Kinder im Grundschulalter ab 2026 Anspruch auf achtstündige Förderung an Werktagen haben. Das sei dringend notwendig, um die Bildung der Kinder in Deutschland zu verbessern. Wie schlecht es darum steht, haben jüngst die internationalen Vergleichsstudien IGLU und PISA gezeigt. Laut ihnen erreichen rund 20 Prozent der Schülerschaft in den Grund- und Sekundarstufenschulen nicht die notwendigen Grundkompetenzen. 

Es scheint wie ein Teufelskreis. Denn die Grundlage für genügend Nachwuchsfachkräfte sind flächendeckend qualitativ hochwertige Bildungsangebote. Doch die stehen nicht allen zur Verfügung. In Deutschland kam es in den vergangenen Jahrzenten zu einer sogenannten "Bildungsexpansion", die nicht alle Schichten in gleicher Weise erreichte, erklärt Dr. Markus Gamper, Soziologe an der Universität Köln gegenüber Forschung & Lehre. "Nach aktuellen Statistiken sind die Bildungschancen immer noch ungleich verteilt", so Gamper. Die Zahlen zeigen, dass weniger als die Hälfte aus nicht-Akademiker Haushalten eine Hochschulberechtigung erreichen, und lediglich ein Prozent von ihnen promoviert. Bei Akademiker-Haushalten erreicht die Mehrheit (83 Prozent) eine Hochschulberechtigung und zehn Prozent promovieren. Das spiegelt sich auch bei den Professuren wider.

"Nach aktuellen Statistiken sind die Bildungschancen immer noch ungleich verteilt"
Dr. Markus Gamper, Soziologe, Universität Köln

Weit entfernt von chancengerechter Bildung 

"Soziale Mobilität", so Gamper, "also der mögliche Aufstieg von den unteren in obere Klassen ist in Deutschland sehr unwahrscheinlich." In Deutschland sei die Chance auf einen höheren Bildungsabschluss stark von der sozialen Herkunft abhängig . "Mit der Geburt wird häufiger entschieden, ob man auf der Schatten- oder dessen Sonnenseite steht", stellt der Soziologe fest. Das gilt weltweit auch in anderer Hinsicht. Denn weniger als die Hälfte der geflüchteten Kinder erhalten eine angemessene Bildung. Ein Grund für diese Bildungsnotlage ist der Anstieg der Zahl von Geflüchteten im Schulalter. Bis Ende 2022 hat sie sich von zehn auf 14,8 Millionen erhöht und über die Hälfte von ihnen können nicht zur Schule gehen. Damit ist die Weltgemeinschaft noch weit entfernt von dem Ziel, allen Menschen weltweit chancengerechte, hochwertige Bildung zu bieten. 

Und auch da gibt es einen Teufelskreis, denn Geflüchtete sind eine Konsequenz von Konflikten und die wiederum entstehen durch Unwissen, wogegen vor allem Bildung helfe, so beschreibt es der World University Service (WUS). "Intoleranz gründet sich zumeist auf Angst, gespeist durch vermeintliche Unwissenheit (…) diesem kann man nur Bildung und lückenlose Aufklärung entgegenstellen", sagt der WUS-Vorsitzende Dr. Kambiz Ghawami dem Bildungsnachrichtenportal Bildungsklick. Eine besondere Herausforderung dabei ist das Identifizieren von Fakenews, da dies auch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz komplexer geworden ist. "Das allgemein Recht auf Bildung auch in Zeiten der Krise zu gewährleisten und weiter zu fördern ist somit wichtiger denn je", appelliert Ghawami deshalb. Um sich dafür einzusetzen, hat sich der WUS und andere Mitgliederorganisation der Globalen Bildungskampagne zu der Social-Media-Aktion #TransformingEducation entschlossen. Dabei können alle sich für das Recht auf Bildung einsetzen und somit zur allgemeinen Chancengleichheit beitragen.  

Die Bedeutung von Bildung als Nachhaltigkeitsziel

Laut UNESCO sind derzeit 750 Millionen Menschen des Lesens und Schreibens nicht mächtig. Davon sind zwei Drittel Frauen. “Neben der Verbesserung der Lebensqualität kann der Zugang zu integrativer Bildung dazu beitragen, Menschen mit den notwendigen Werkzeugen auszustatten, um innovative Lösungen für die größten Probleme der Welt zu entwickeln”, ist auf den Seiten zu den 17 Nachhaltigkeitszielen zu lesen. 

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Aktualisiert am 24.1. um 11:45 Uhr. Veröffentlicht wurde die Meldung zuerst am 23.1. 

kfi