junge Frau sitzt vor einem Laptop und macht sich handschriftlich Notizen
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Corona-Pandemie
Wie ich die Online-Lehre erlebt habe und erlebe

Ein Jahr Corona – ein Jahr der digitalen Lehre. Was bedeutet es, auf Fernlehre umzustellen? Ein Erfahrungsbericht einer Studentin.

Von Helena Scholz 09.04.2021

Am 12. März 2020 saß ich gerade in einer Münchner Bibliothek und lernte für eine Prüfung, die bald anstehen sollte, als mein Handy vibrierte. Eine Eilmeldung. Alle Prüfungen, die in den nächsten Wochen anstehen sollten: abgesagt! Ohne Ersatz. Erstmal zumindest. Das war allerdings noch nicht der Beginn der Online-Lehre. Die begann erst mit dem neuen Sommersemester und das wiederum begann in 2020 pandemiebedingt etwas später.

Was dann kam, war sehr heterogen. Man merkte: hier wurden die Ärmel hochgekrempelt und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Man merkte auch recht schnell: jede und jeder Dozierende und auch jede und jeder Studierende geht völlig unterschiedlich mit der neuen Situation und Technik um. Ich erinnere mich, dass ich insgesamt überrascht war, wie schnell die Vorlesungen in Online-Lehre umgesetzt waren. Manche Dozierende wirkten dabei ausgesprochen souverän und präsentierten gut produzierte Formate aus einer angenehmen Mischung aus asynchronen Vorlesungsvideos, Live- Fragerunden und ergänzenden Materialien, die über die Moodle-Plattform pünktlich vor jeder Vorlesungseinheit bereitgestellt waren. Im Idealfall war in den aufgezeichneten Vorlesungen sogar das Skript und der Vortragende gleichzeitig zu sehen. Andere Dozierende waren anfangs noch etwas unsicher. Insgesamt hat sich aber relativ schnell eine Routine entwickelt, die für alle zu passen schien. Nur vereinzelt standen anfangs technische Fragen im Zentrum der Vorlesung.

"Ich erinnere mich, dass ich insgesamt überrascht war, wie schnell die Vorlesungen in Online-Lehre umgesetzt waren."

Da ich von München einen langen Anfahrtsweg zum Campus Weihenstephan habe, war mir die Umstellung auf Online-Lehre sehr willkommen. Auch hoffte ich, dass diese Gelegenheit auch als Katalysator dient, die Lehre generell digitaler zu gestalten und es gleich "richtig" gemacht wird. Darunter verstehe ich, dass man die Vorteile der Digitalisierung direkt nutzt und nicht versucht, die analoge Welt einfach 1:1 über den Computer abzubilden. Rückblickend ist dies in den meisten Fällen auch gut gelungen, zum Beispiel in Form der oben erwähnten asynchronen Lehre.

Definitiv ein Vorteil gegenüber analoger Lehre: Videos kann man jederzeit stoppen – sei es, um sich nur schnell Tee aus der Küche zu holen, ohne Hast eine Notiz zu machen oder um einen Fachbegriff zu googeln –, bei komplizierten Passagen kann man einmal (oder zehnmal) zurück spulen oder zeitweise die Wiedergabe-Geschwindigkeit ändern. Außerdem kann ich mir als Studentin damit meine Vorlesungswoche selbst einteilen: Wenn ich zu denjenigen gehöre, die sich abends besonders gut konzentrieren können, warum dann die Vorlesung nicht um 22 Uhr streamen? Besonders mit etwaigen Nebenjobs und mit der über den Tag oftmals variierenden Internet-Verfügbarkeit ist dieses Format hervorragend vereinbar.

Diese Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung verführt aber auch manchmal dazu, etwas nachlässiger zu sein – mit der Konsequenz, dass sich das Vorlesungspensum schnell mal aufstaut und einem irgendwann auf die Füße zu fallen droht. Damit das nicht passiert, habe ich für mich folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Einen Wochenplan: Dieser hat mir einen guten Anhaltspunkt geboten.
  • Die richtigen "Tools" und eine angepasste Organisationsstrategie: Bevor ich durchstarten konnte, stand ich vor Fragen wie: Mache ich mir Notizen jetzt anders als sonst? Wo lege ich Dokumente ab? Wie gehe ich Übungen und Fragerunden an? Mit welchen Programmen bearbeite ich die "Hausaufgaben", um sie auch gut hochladen zu können?
  • Eine Lerngruppe: Zum Glück hatte ich vor Corona drei Semester in "Präsenz" studiert und mich in dieser Zeit bereits mit ein paar Kommilitonen als Lerngruppe zusammengefunden. Im Zuge der Kontakteinschränkungen haben auch wir uns digitalisiert. Über Microsoft Teams haben wir uns zusammentelefoniert, Dateien geteilt und in den zahlreichen Gruppenarbeiten gemeinsam an Dokumenten gearbeitet.
  • "Hausaufgaben" und Live Sessions: Manche Dozierende haben ergänzende Fragestunden sowie Gruppen- und Einzelarbeiten zur Vertiefung bestimmter Vorlesungsinhalte angeboten – jeweils mit Deadlines, teilweise auf freiwilliger Basis. Das waren beispielsweise kurze Präsentationen für die Live-Session der jeweils folgenden Woche. Insbesondere die Gruppenarbeiten haben mich zusätzlich motiviert, mich rechtzeitig mit den entsprechenden Themen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig hatte das den Vorteil, den Kontakt zu den Kommilitonen nicht zu verlieren. Manche habe ich dadurch auch erst kennengelernt.

All diese Maßnahmen haben mir persönlich sehr geholfen, allerdings haben sie mich auch zunächst viel Organisationszeit und anschließend viel Disziplin gekostet. Die richtige Lernstrategie herauszufinden, aufzusetzen, zu etablieren und seine Routinen daran anzupassen, ist im Aufwand nicht zu unterschätzen. Die zahlreichen Hausaufgaben und Gruppenarbeiten haben sowohl fachlich als auch organisatorisch mehr Zeit in Anspruch genommen als die vormalige analoge Lehre. Hätte es in allen Fächern solche Aufgaben gegeben, hätte ich das zeitlich wahrscheinlich nicht stemmen können.

Auch die enttäuschende Umsetzung der Prüfungen hat für mich zu einem hohen Arbeitspensum geführt. Im März und April 2020 waren bei uns alle Prüfungen des Semesters zunächst ersatzlos ausgefallen. Der Lernaufwand in der darauffolgenden Prüfungsphase mit der dann doppelten Anzahl von Prüfungen und verkürztem Prüfungszeitraum war immens. Obwohl ich früh mit dem Lernen angefangen hatte, habe ich den Stress und hohen Druck zu dieser Zeit mental und körperlich als sehr belastend empfunden. Immerhin konnte ich durch die Online-Lehre bei der Prüfungsvorbereitung bei Bedarf nochmal auf bestimmte Inhalte und Passagen zurückgreifen. Das war an der ein oder anderen Stelle sehr hilfreich. Wegen der Pandemie ein Semester länger zu studieren, kam für mich nicht in Frage.

"Ich habe den Stress und hohen Druck zu dieser Zeit mental und körperlich als sehr belastend empfunden."

Insgesamt habe ich die Zeit der Online-Lehre positiv erlebt und finde es einen guten Schritt in die richtige Richtung für eine zeitgemäße Bildung. Grundsätzlich bietet die Online-Lehre für mich mehr Vor- als Nachteile. Allerdings kam es in den vergangenen zwei Semestern stark auf das Wie an. Ein entscheidender Aspekt war für mich die Infrastruktur in Form von schnellem Internet, einheitlichen Plattformen sowie einer adäquaten Software- und Hardware-Ausstattung. Zudem hing die Qualität der Lehrveranstaltungen sehr stark vom Engangement der Dozierenden ab. Man merkte sofort, wer die Online-Formate als Chance nutzt und mit Leidenschaft ein gutes Format aufbaut.

Die Vorlesungsqualität liegt aber meiner Meinung nach auch in den Händen von uns Studierenden. Wenn in Live-Sessions die Mehrheit ihre Kamera einschaltet, ist es gleich etwas persönlicher. Zu unzähligen schwarzen Kacheln zu sprechen, finde ich sehr schwierig. Auch eine rege Mitarbeit von allen sowie konstruktives Feedback tragen viel zur Qualität der Lehre bei. Zu Anfang verlief dies noch etwas holprig und scheu, hat sich aber meines Erachtens seit Beginn der Online-Lehre stark verbessert. Meine eigene Einstellung und die meiner Kommilitonen waren für mich sehr entscheidend für die letzten Semester.