Ein Kind klettert neben seiner arbeitende Mutter auf einen Stuhl
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Teamarbeit während Corona
"Die Reserven der meisten sind aufgebraucht"

Die anhaltende Pandemie zerrt an den Nerven. Eine Führungskraft und eine psychologische Beraterin erklären, was helfen kann.

Von Katrin Schmermund 09.02.2021

Das dauerhafte Arbeiten aus dem Homeoffice, der fehlende persönliche Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen, bei vielen zusätzlich der Druck der parallelen Kinderbetreuung: Die Corona-Pandemie zerrt zunehmend an den Nerven von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

"Die Stimmung ist bei vielen Mitarbeitenden deutlich gedämpft", sagt Nicola Thiele. "Die Reserven der meisten sind aufgebraucht". Im Mai vergangenen Jahres hatte die Leiterin der Stabsstelle Personalentwicklung & Karriere an der Universität Bonn im Gespräch mit Forschung & Lehre erklärt, wie sie die Arbeitsabläufe in ihrem Team auf die Arbeit aus dem Homeoffice umgestellt habe.

"Eine Führungskraft sollte geschaffene Gesprächsroutinen beibehalten, damit ihr niemand aus dem Team verloren geht", sagt Thiele mit Blick auf die anhaltende Pandemie. Gerade belastete Personen zögen sich häufig zurück. Zu Beginn jedes Meetings sprächen sie daher auch darüber, wie es ihnen aktuell gehe. Im Anschluss kläre sie dann im Team, ob und wie Aufgaben anders verteilt oder priorisiert werden können. Wichtig sei, den Druck rauszunehmen: "Davon haben die Beschäftigten schon genug", sagt Thiele. Gleichzeitig sei die Führungskraft gefragt, im regelmäßigen Austausch mit ihren Vorgesetzten zu klären, wie gesetzte Ziele dennoch erreicht werden könnten.

Bestehende Konflikte spitzen sich zu

Auch an den psychologischen Beratungsstellen der Hochschulen zeigt sich die zugespitzte Situation, sagt Beraterin Vera NDiaye von der Universität Bonn. Die Beschäftigten suchten jedoch keinen Rat wegen der Belastung als solcher: "Meist sind es alte Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit, für die bisher noch keine befriedigende Lösung in Teams gefunden wurde, die einzelne Beschäftige in der aktuellen Krise mehr belasten als vorher."

Eine verlässliche Kommunikation, Klarheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team seien in der Coronazeit wichtige Bedürfnisse, sagt NDiaye. Führungskräfte sollten sich regelmäßig die folgenden Fragen beantworten: Arbeiten wir im Team noch gut zusammen? Entstehen neue Konflikte? Finden konstruktive, kritische Gespräche statt?

Die Belastung der Führungskräfte selbst dürfe dabei nicht vergessen werden. Führungskräfte in sogenannten "Sandwichpositionen" stünden teilweise widersprüchlichen Erwartungen gegenüber: "Da sie Vorgesetzte, Mitarbeiter und Kollegen sind, müssen sie sowohl das Team unterstützen als auch die Erwartungen der Leitung erfüllen", sagt NDiaye. In der Leitung wiederum trügen sie eine hohe Verantwortung und seien gleichzeitig meist weitestgehend auf sich alleine gestellt.

Das gesamte Team sei gefragt: "Eine gute Zusammenarbeit braucht einen offenen Austausch, bewusstes Zuhören und lebendige Dialoge", betont Beraterin NDiaye.

Virtuelle Rituale halten Stimmung im Team

Viele Teams haben sich für die Pandemie neue Rituale überlegt, um die gewohnten Gespräche und Treffen im Team zumindest ein Stück weit virtuell zu ersetzen. Das gilt auch für das Team von Nicola Thiele. "Bei längeren Besprechungen simulieren wir 'Flurgespräche'", erklärt sie. "Wir schicken die Kolleginnen und Kollegen zweimal in Breakout-Sessions, in denen zwei Personen für drei bis fünf Minuten zufällig zusammengewürfelt werden und sich über eine mitgegebene Leitfrage austauschen können – oder auch über etwas anderes. Das lockert die Stimmung im Team merklich auf."

Zu Anfang jedes Meetings spiele sie in der Einloggphase Musik ab, an Geburtstagen werde virtuell gesungen. "Das hört sich fürchterlich an, weil die zeitliche Verzögerung bei der Tonübermittlung kein gleichzeitiges Singen zulässt", sagt Thiele. "Es führt aber bei den Besungenen immer wieder zu großer Freude und bei allen zu viel Gelächter."