Studierende sitzen in einem Park auf dem Boden, einige tragen einen Mund-Nasen-Schutz.
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Studium während der Pandemie
Unialltag unter erschwerten Bedingungen

Die Corona-Pandemie hat die Hochschulen in Deutschland verändert. Welche Auswirkungen hat dies auf die Erfahrungen heutiger Studierender?

Von Markus Lörz 08.03.2022

Die Covid-19-Pandemie hat alle europäischen Länder von heute auf morgen vor neue Herausforderungen gestellt. Um das Infektionsgeschehen einzudämmen, wurden in fast allen europäischen Ländern weitreichende Kontaktbeschränkungen ausgesprochen, mit Auswirkungen auf verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens: Arbeiten, Lernen und miteinander Interagieren von zu Hause aus wurden zur Normalität.

Digitalisierung der Lehre

Insbesondere in Deutschland standen die Hochschulen mit dem Sommersemester 2020 vor der Herausforderung, die internen Verwaltungsabläufe und den Lehrbetrieb digital zu organisieren. Obwohl sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich des Digitalisierungsgrades eher im europäischen Mittelfeld befand, hat die digitale Umstellung der Lehre aktuellen Studien zufolge organisatorisch gut geklappt. Allerdings fühlten sich viele Lehrende für die Durchführung digitaler Lehrveranstaltungen nicht gut vorbereitet und der Großteil der Studierenden empfindet die digitale Lehre als Verschlechterung. Um die Qualität des Studiums zu sichern, ist es folglich nicht ausreichend, lediglich organisatorisch die Rahmenbedingungen an den Hochschulen für ein digitales Studium zu schaffen. Vielmehr müssen die Lehrenden und Studierenden in die Lage versetzt werden, eine solche digitale Lehr- und Lernsituation kompetent auszugestalten. Auch zeigen sich fachspezifische Besonderheiten: Der Anteil ausgefallener Lehrveranstaltungen fällt im Durchschnitt zwar gering aus, liegt jedoch in Studiengängen wie Sport und Kunst deutlich höher. Die Inhalte der verschiedenen Studiengänge lassen sich demnach nicht gleichermaßen digital vermitteln. Studierende, die von ausgefallenen Lehrveranstaltungen betroffen sind, müssen mit Verzögerungen im weiteren Studienverlauf rechnen und von einem späteren Arbeitsmarkteintritt ausgehen. Insgesamt erwartet etwa jeder zweite Studierende, dass sich aufgrund der Covid-19-Pandemie die Studiendauer verlängern wird.

Studienfinanzierung

Neben den digitalen Herausforderungen für Lehren und Lernen hat sich für viele Studierende in Deutschland die Finanzierungssituation im Zuge der Covid-19-Pandemie verschlechtert. Traditionell fußt die Finanzierung des Lebensunterhalts der Studierenden auf drei Säulen: eigene Erwerbstätigkeit, Familie und Staat. Die Kontaktbeschränkungen haben nun dazu beigetragen, dass ein Teil der erwerbstätigen Studierenden ihren Job verloren hat und sich zum Teil auch die Eltern der Studierenden in einer schwierigeren Einkommenssituation wiederfinden. Somit fallen für manche Studierende zwei zentrale Quellen der Studienfinanzierung weg. Die Bildungspolitik hat auf diese veränderte Finanzierungssituation der Studierenden bereits reagiert und die dritte Säule der Studienfinanzierung (Staat) in Form einer Aufstockungsmöglichkeit des Bafög und der Überbrückungshilfe in pandemiebedingten Notlagen gestärkt.

Rückblickend lässt sich zwar festhalten, dass die digitale Umstellung der Lehre organisatorisch weitgehend gelungen ist und sich die finanzielle Situation der Studierenden in Deutschland nicht so stark verschlechtert hat wie in anderen Ländern, dennoch zeigt sich auch in Deutschland, dass bestimmte Studierendengruppen von der Covid-19-Pandemie stärker betroffen sind als andere.

Schwierige Studiensituationen

Die Studierenden, die bereits vor der Covid-19-Pandemie als vulnerabel galten und Schwierigkeiten bei der Studienbewältigung hatten, fanden sich im Sommersemester 2020 in einer nochmals schwierigeren Situation. Zu den besonders vulnerablen Studierendengruppen zählen in diesem Zusammenhang Studierende aus weniger privilegierten Familien, internationale Studierende, Studierende mit Kind und Studierende mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Aktuellen Untersuchungen zufolge haben sich insbesondere die Studienbedingungen der Studierenden mit Kind und der Studierenden mit gesundheitlicher Beeinträchtigung erschwert. Diese Studierenden sind im Sommersemester 2020 einem höheren Druck ausgesetzt und empfinden ein höheres Stresslevel. Dies ist angesichts der prekären Betreuungssituation und eingeschränkter Pflegemöglichkeiten zu dieser Zeit durchaus nachvollziehbar. Auch die Situation der Studierenden aus weniger privilegierten Familien und von internationalen Studierenden hat sich erschwert – insbesondere mit Blick auf die Finanzierung des Studiums.  Wie aktuelle Studien zeigen, haben sich die Abbruchintentionen aller oben genannten Studierendengruppen im Zuge der Covid-19-Pandemie erhöht. Auch gehen diese Studierenden oftmals häufiger davon aus, dass sich deren Studiendauer aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängern wird. Angesichts dieser ersten Befunde ist zu erwarten, dass sich die sozialen Ungleichheiten im Hochschulbereich verstärken werden. Dieses Phänomen ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern zeigt sich teilweise auch in anderen Ländern.

Wie mobil sind die Studierenden?

Neben den Kontaktbeschränkungen wurden zu Beginn der Covid-19-Pandemie auch weitreichende Mobilitätsbeschränkungen ausgesprochen. Im Zuge dieser Entwicklung haben manche Hochschulen ihre internationalen Austauschprogramme zeitweise ausgesetzt. Überraschenderweise spiegelt sich dies bislang jedoch nicht in einem bemerkenswert geringeren Anteil internationaler Studierender an deutschen Hochschulen wider. Angesichts der Mobilitätsbarrieren konnten aber manche Studierende ihren bereits geplanten Auslandsaufenthalt nicht beziehungsweise nicht in der gewünschten Form antreten – sondern lediglich digital. Dies ist mit Blick auf die Ziele der Bologna-Reform, den Wissenstransfer und Austausch zwischen den verschiedenen Ländern zu erhöhen und damit eine stärkere Vernetzung des europäischen Hochschulraums zu erzielen, sicherlich eine schwierige Situation. In Deutschland hatten im Sommersemester 2020 etwa 29 Prozent der Studierenden die Absicht, (zeitweise) im Ausland zu studieren: 25 Prozent haben einen Auslandsaufenthalt bereits vorbereitet und weitere 4 Prozent planten einen solchen (siehe Abbildung). Diese Studierenden werden sich vermutlich besonders auf ein Ende der im Zuge der Covid-19-Pandemie entstandenen Mobilitätsbarrieren freuen. Aber auch innerhalb Deutschlands hat sich das Mobilitätsverhalten verändert. Aktuellen Studien zufolge sind viele Studierende im Zuge der Covid-19-Pandemie zurück ins Elternhaus gezogen. Eigentlich stellt das Studium aber für viele Studierende eine erste Lebensphase dar, in der man sich vom Elternhaus löst und eigene Entscheidungen trifft. Angesichts dieser veränderten Mobilitätsmöglichkeiten und der veränderten Studiensituation insgesamt liegt daher die Vermutung nahe, dass die jetzige Studierendengeneration andere Studienerfahrungen macht als die vorangegangenen Studierendengenerationen.

Absicht, im Ausland zu studieren (in Prozent)

  • 32%nein, kein Interesse
  • 20%nein, sehe keine Realisierungschance
  • 19%weiß noch nicht
  • 4%ja, geplant
  • 25%ja, bereits in Vorbereitung

SITCO-Studierendenbefragung 2020

Der Blick in Richtung Berufseintritt

Unter den veränderten Studienbedingungen ziehen nicht nur viele Studierende einen Abbruch des Studiums in Betracht, sondern aus den vorliegenden Studien wird auch ersichtlich, dass viele Studierende von einer Verlängerung der Studiendauer ausgehen. Doch was erwarten die Studierenden vor dem Hintergrund der veränderten Studienbedingungen mit Blick auf ihren späteren Berufseintritt?

Erste Ergebnisse auf Basis der SITCO-Studierendenbefragung 2020 ergeben, dass im Durchschnitt 39 Prozent der Studierenden (eher) davon ausgehen, dass sie länger nach einer passenden Stelle suchen müssen und 31 Prozent befürchten Einbußen im Gehalt.

Studierende, die von einer Verlängerung der Studiendauer im Zuge der Covid-19-Pandemie ausgehen, erwarten demnach auch in höherem Maße eine längere Stellensuchdauer und Gehaltseinbußen. Inwieweit diese Befürchtungen tatsächlich beim Übergang in den Arbeitsmarkt eintreten, wird sich allerdings erst in den nächsten Jahren zeigen. Aus den Befunden wird aber bereits jetzt eine gewisse Verunsicherung der Studierenden ersichtlich.

Angesichts der weiter oben beschriebenen unterschiedlichen Studienbedingungen verschiedener Studierendengruppen ist es zudem nicht verwunderlich, dass insbesondere vulnerable Studierende in höherem Maße mit erschwerten Bedingungen beim Berufseintritt rechnen – sowohl hinsichtlich der Stellensuchdauer als auch hinsichtlich des Gehalts. Die insbesondere für vulnerable Studierende durch die Covid-19-Pandemie schwieriger gewordenen Studienbedingungen sind demnach nicht nur damit verbunden, dass sich diese Studierenden mehr Sorgen um ihren weiteren Studienverlauf machen, sondern diese Studierenden gehen auch in höherem Maße von Schwierigkeiten beim Berufseintritt aus.